piwik no script img

berliner szenenDas istdoch nicht glaubhaft

Die Frau im Bürgeramt sagt mit Blick auf den Bildschirm: „Vorgangsnummer, bitte!“ Ich erwidere so charmant wie möglich: „Ich habe keinen Termin mehr bekommen, bin aber ein Notfall: Ich brauche bis morgen dringend einen vorläufigen Pass.“ Sie blickt vom Bildschirm auf, mustert mich, streckt ihre Hand aus: „Flugnachweis?“ Ich setze mich und erkläre: „Habe ich auch nicht. Ich wurde nach Belarus eingeladen und muss bis morgen einen Scan meines Passes schicken, damit meine Flüge gebucht werden können.“ Sie runzelt die Stirn: „Haben Sie einen Beweis?“ Ich zeige ihr die Einladungs-Mail zu einem journalistischen Workshop.

Sie starrt mein Handy an und fragt dann: „Journalistin, ja? Und warum haben Sie keinen Pass?“ Ich sage beschämt: „Den habe ich, scheint’s, verloren. Ich kann ihn nirgendwo finden. Er war aber eh abgelaufen.“ Sie gibt etwas in die Suchmaske ihres Computers ein und sagt dann in scharfem Ton: „Ihr Pass ist seit drei Jahren abgelaufen. Warum haben Sie keine Verlustmeldung gemacht?“ Ich sehe auf die Uhr. Das Bürgeramt schließt in wenigen Minuten: „Ich habe den Verlust eben erst bemerkt.“ Sie guckt misstrauisch: „Sie müssen in den letzten Jahren doch beruflich gereist sein?“ Ich schüttle den Kopf. Sie sagt: „Das klingt alles sehr seltsam, um nicht zu sagen nicht glaubwürdig. Eine Journalistin, die angeblich ihren Pass verliert, es jahrelang nicht bemerkt, plötzlich ins Ausland will und kurz vor Dienstschluss ohne Termin und ohne Flug einen vorläufigen haben möchte?“ Ich nicke und sage: „Ich weiß, das klingt bescheuert, aber so ist es.“ Sie berät sich mit ihrer Chefin und meint dann: „Sie haben Glück: Meine Chefin hat einen guten Tag. Sie kriegen den Pass, wenn Sie die Geschichte in einem Dreizeiler bestätigen.“ Und fragt, augenrollend: „Im Besitz einer EC-Karte sind Sie aber?“ Eva-Lena Lörzer

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen