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berliner szenenEs wird Nacht bei Nokta

Nokta betreibt einen Spätkauf. Der Spätkauf heißt Nokta. Noktas Spätkauf gibt es schon lange in der Mariannenstraße in Kreuzberg. Seit fünfzehn Jahren. Nokta selbst ist noch mal fünfzig Jahre älter als ihr Späti. Es ist wirklich ihr Späti, weil er ihr gehört und er auch so heißt wie sie und weil sich ihr ganzes Leben hier abspielt. Das vermute ich zumindest, weil ich Nokta öfter im Späti besuche. Meist, um Mate, Tabak oder Kaugummi zu kaufen.

Wenn ich den Späti betrete, steht Nokta nicht hinter dem Tresen, wie es sonst so üblich ist im Späti. Nein, Nokta hat keine Lust zu stehen. Lieber sitzt sie auf einem weißen Plastikstuhl an einem kleinen Tisch, raucht, isst, trinkt Tee und schaut dabei irgendetwas Belangloses auf ihrem großen Flachbild­fernseher an. Ja, es scheint, man betrete nicht Noktas Späti, sondern ihr Wohnzimmer. Wenn Nokta Besuch bekommt, setzt sie türkischen Tee auf, dessen Geruch durch den Laden zieht und manchmal sogar den Zigarettengeruch überbietet. Und genau dann steckt Nokta sich eine neue Kippe an.

Gestern Nacht sehnte auch ich mich nach einer Zigarette. Also lief ich zu Nokta, um Tabak zu kaufen. Nokta saß wie gewöhnlich auf ihrem weißen Plastikstuhl und starrte zum Flachbildfernseher. Eine Zigarette brannte währenddessen vergnüglich weiter im Aschenbecher und über ihr, auf einem brauen Holzregal, ragte die türkische Flagge hervor, aus einem Korb voller aufgerollter Nationalflaggen. Ja, Nokta ist Deutschtürkin, und sie scheint stolz auf ihr Geburtsland zu sein. Wie sie zu Erdoğan steht, habe ich sie noch nicht gefragt. Stattdessen zur ewigen Baustelle direkt vor der Tür. „Diese Baustelle, seit drei Jahren schon“, fluchte gestern Nacht Nokta, zahnlos. „Ich habe es satt“, sagte sie und lachte dann. Ja, das ist es, was Nokta ausmacht. Fluchen und lachen. Lachen und fluchen.

Eva Müller-Foell

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