piwik no script img

berliner szenenWie ein Weihnachts-baum

In der Tram zum FEZ in der Wuhlheide setzt sich ein Junge neben mich und liest mit, was ich in meinen Laptop tippe. Mit einem Mal fragt er: „Bist du die Freundin des Weihnachtsmanns?“ Ich sehe ihn verdutzt an: „Wie kommst du denn da drauf?“ Er guckt mich groß an: „Bist du es jetzt oder nicht?“ Ich schüttle den Kopf: „Leider nicht.“ Er verzieht enttäuscht seinen Mund: „Schade. Ich dachte, weil du gerade was von Advent und FEZ schreibst und da ist doch immer der Weihnachtsmann.“ Ich lächele: „Ah, ja. Ich arbeite dort und habe natürlich davon gehört. Gesehen aber habe ich ihn noch nie.“ Der Junge strahlt: „Bestimmt zeigt er sich nur Kindern. Ich habe ihn da schon öfter getroffen. Und jedes Mal hat er mir später genau das gebracht, was ich mir von ihm gewünscht habe.“

Auf dem Rückweg von der Arbeit steige ich in Mitte aus, um meiner Tochter Nikolausgeschenke zu holen. Beim Überqueren des Weihnachtsmarkts muss ich an den Jungen in der Tram denken und freue mich mit einem Mal über die weihnachtliche Beleuchtung und den Geruch von Glühwein und Lebkuchen. Beinahe beseelt steige ich am Alexanderplatz in die S-Bahn nach Spandau, als mich ein Mann im Türbereich warnt: „Vorsicht, hier stinkt’s.“ Ich rieche nichts. Er erklärt sensationslustig: „Bis eben lag hier eine vollkommen verwahrloste Alte. Die wollte nach einer Flasche angeln, als die Bahn mit einem Ruck stehengeblieben ist – da ist sie der Länge nach hingeflogen und kam nicht mehr hoch.“ Er kichert: „Wie ein Weihnachtsbaum!“ Ich runzle die Stirn: „Was ist daran lustig?“ Er zuckt mit den Schultern: „Ich hab auch betroffen geguckt. Aber so versifft, wie die war, konnte ihr auch niemand helfen. Dafür hätte man sie ja anfassen müssen.“ Ich frage: „Und wo ist sie jetzt?“ Er beginnt wieder zu kichern: „Der Sicherheitsdienst hat sie gerade weggebracht.“

Eva-Lena Lörzer

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen