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berliner szenenChériechen geht’s heute nicht so gut

Sechs Tage lang hatte ich mit nur vier Stunden Schlaf pro Nacht durchgearbeitet, als ich um 20 Uhr schlaftrunken im Bus sitze, um noch gemeinsam mit meiner Freundin N. an Texten zu arbeiten. Um wacher zu werden, trinke ich einen Schluck Saft. Dann klappe ich meinen Laptop auf. In dem Moment klingelt mein Handy. Ich klappe den Laptop wieder zusammen, verfrachte ihn in die Tasche, angle nach dem Handy und kippe dabei den Saft um: einmal über den Laptop rüber. Wie von einer Tarantel gestochen springe ich aus dem Bus und hinterlasse eine klebrige Spur.

An der Bushaltestelle ziehe ich den Laptop aus der Tasche und trockne ihn ab. Mir ist klar: Ich darf ihn jetzt nicht anmachen. Aber ich will unbedingt weiterarbeiten. Also drücke ich den Homebutton: Der Screen bleibt schwarz. Ohne Laptop kann ich nichts mit mir anfangen. Ich bin zu müde, um mich auch nur zu ärgern, und starre die ganze Fahrt über ins Leere. N. wartet bereits vor unserem neuen Lieblingsspätkauf. Sie meint nur: „Gib dem Laptop Zeit. Der geht wieder an.“ Ich habe meine Zweifel.

Der an eine Eidechse erinnernde Trinker, mit dem wir uns an unserem ersten Abend hier an einer Liste der besten Bücher versucht haben, ist auch wieder da. Nach ein paar Minuten guckt er verwundert zu uns: „Chériechen krank, dass sie nicht tippt?“ N. nickt: „So in der Art. Chériechen geht’s heute nicht so gut.“ Ich bemühe mich um ein Lächeln. „Ich habe meinen Laptop in Multivitaminsaft ertränkt.“ Er sieht mich irritiert an: ­„Warum trinkst du auch Multivitaminsaft?“ Er nimmt ­einen kräftigen Schluck Bier und fragt: „Weißt du, was jetzt hilft?“ Ich verneine. Er erklärt ernst: „Starker Schnaps.“ Ich muss lachen. Er meint: „Nein, ernsthaft, ich kenne mich aus. Ich bin Berufstrinker.“ N. grinst: „Na, wenn du hier nicht in guten Händen bist …“

Eva-Lena Lörzer

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