berliner szenen: Die Tür öffnet sich, er schreit los
Der Typ ist schon die ganze Zeit unruhig. Tigert von seiner Bank im Wartebereich zu den Toiletten, rein, raus, wieder zur Bank, zu der Tür, hinter der die neuen Patienten aufgenommen werden, an der Wand entlang, wieder zu den Toiletten, zur Bank, alles von vorn.
Das geht eine Weile so, dann läuft er ein paar Schritte weiter. Zur Tür, hinter der die Ärztin in der Notaufnahme die Patienten das erste Mal untersucht. Und dann entscheidet, wie es weitergeht. Bei ihr war er schon gewesen, muss aber, wie die meisten anderen auch, erst einmal weiter warten. Er streicht eine Weile vor der Tür hin und her, auf der ein Zettel klebt mit dem Hinweis, man möge bitte darauf warten, aufgerufen zu werden. Bleibt davor stehen. Klopft. Erst laut und deutlich. Nichts. Dann hämmernd. Dann noch einmal, rüttelt an der Klinke.
Die Ärztin öffnet mit einem Ruck die Tür, und er schreit los. Was das denn hier sei. Dass es ihm schlecht gehe. Ob man ihn verrecken lassen wollte. Die Ärztin wechselt von ihrem sonst freundlichen zu einem scharfen Ton. „So, wie Sie mir hier die Tür eintreten, kann’s Ihnen ja so schlecht nicht gehen.“ Er dreht sich um, geht zurück zu seiner Bank. Zieht die Schuhe aus, stellt sie ordentlich auf dem Boden ab, legt sich auf die Sitzfläche und rollt sich auf der Seite zusammen.
Etwas später kommt die offenbar gerufene Security, in Gestalt eines korpulenten Mannes in schwarzer Kleidung samt weißem Schriftzug, schaut suchend durch den Raum, sieht weder den Mann noch ein Problem, geht wieder. Dann öffnet sich die Tür, aus der die Stationsärzte treten. Der Arzt ruft den Namen des Mannes. Schaut sich suchend um. Ruft noch einmal. Der Mann schläft, hört ihn nicht. Eine Wartende versucht, ihn zu wecken, er schnarcht weiter. Der Arzt verschwindet wieder.
Svenja Bergt
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