berliner szenen: Kleinfamilie springt aus Fotofix
Kellner 3 „begrüßt mich gerne wieder“, steht auf dem Bon, den ich in der Hand halte. Seit Neuestem herrschen ja italienische Verhältnisse vor, überall gibt es jetzt Quittungen, die man schnell wieder wegwerfen möchte. Wo ist die Umweltpolizei, wenn man sie braucht? Was für eine Papierverschwendung!
Ich schlendere vom Lieblingscafé in Richtung Hermannplatz. Eine Kleinfamilie springt aus dem Fotofix in der Baulücke vor dem Vietnamesen am Reuterplatz und wartet ungeduldig auf die Bilder. Diese Fotoautomaten werden gern in Hipster-Hotspot-Nähe angebracht und besonders gern in Baulücken aufgestellt. Die Tankstelle in der Hobrechtstraße hat dichtgemacht, aber ob sie deswegen auch abgerissen und durch ein formschönes Wohnhaus ersetzt wird, ist nicht ausgemacht.
Die Weserstraße ist jetzt eine Fahrradstraße, also seit Jahresbeginn oder so. Läuft ganz gut. Trotzdem ist das, was an Platz gewonnen wurde, weil die Autos zum Parken halb auf den Gehsteig müssen, nicht wirklich der Rede wert – die Gehsteige nämlich sind so noch enger geworden, auch durch den Wald von Schildern, die gefühlt jede fünf Meter auf die neuen Verhältnisse aufmerksam machen. Der Koch des indischen Restaurants an der Ecke sitzt draußen auf der Bank und raucht. Eine Kleingruppe spanischsprachiger Expats stellt den Gehweg zu, weil sie sich mitten in einer ausgiebigen Abschiedsorgie befindet. Ich warte geduldig, bis ich außen rum kann.
Den Bon habe ich immer noch in der Hand, als ich über den Hermannplatz gehe. Deutsche Bürokratie, denke ich noch, als ich vor dem Fahrkartenautomat in der U-Bahn-Station stehe. Er ist umsät von weiteren Bons. Auf die Idee, am Automaten einen Mülleimer aufzustellen (oder das mit den Bons einfach zu lassen), ist noch niemand gekommen. René Hamann
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