piwik no script img

berliner szenenDas hat der Seehofer bestellt

Handyverbot! Handyverbot! Ab 1. ­April ist sowieso Handyverbot in der U-Bahn!“, brüllt eine Frau mit roter Nase in der U8 alle Telefonierenden und Tippenden um sich herum an.

Auf den Sitz hat sie eine Kuscheldecke für ihren kleinen schwarzen Hund gelegt, daneben mehrere Plastiktüten von verschiedenen Discountern. „Das hat der Seehofer bestellt“, sagt sie und lacht so lange, bis sie husten muss. „Keine Fake News oder so ’n Quatsch.“ Eini­ge Fahrgäste gucken die Frau irritiert an, die meisten aber igno­rieren sie.

Dann geht der kleine Hund auf den Sitznachbarn zu und erschreckt ihn. Die Frau bemerkt diese Situation nicht, bis der junge Mann wegen des Hunds kopfschüttelnd aufsteht. „Hunde gehören zur deutschen Kultur. Ich lasse mich davon nicht abhalten!“, schreit sie ihm zu, als wir am Hermannplatz ankommen, und ich umsteigen muss.

In der U7 redet ein Mann mit sich selbst. Als sei er mitten in einer leidenschaftlichen Diskussion, erklärt er manche Sätze mit Präzision,und an manchen Stellen wird er ungeduldig. Ich verstehe nur teilweise, worum es geht. „Die Russen haben sie entmachtet“, sagt er zum Beispiel. Bolschewiki und weiße Pferde kommen auch vor.

Irgendwann nimmt er einen Flachmann aus seiner Tasche und küsst ihn. „Nas­drowje!“, sagt er lauter. „Nos­drowje“, korrigiert sein Gegenüber. Ich kann nicht mehr erfahren, ob sie dann miteinander reden, denn ich muss schon wieder aussteigen.

Als Nächstes gehe ich in ein Café und bestelle ein Feierabendbier. Ein Motz-Verkäu­fer kommt zu meinem Tisch und bittet um Kleingeld. Während ich meine Tasche durchsuche, erklärt er leise, wofür er das Geld braucht. Ich kann ihn nicht gut verstehen, aber der Satz endet mit „Zu Hause habe ich zwei kleine Füchse mit Zahnschmerzen“.

Luciana ­Ferrando

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen