berliner szenen: Russland und die Zukunft
Freitags liegt immer das frische Russkij Berlin im Briefkasten. Die Zeitung bekomme ich seit bald zwanzig Jahren, obwohl ich sie nie abonniert habe. Ich hatte mal früher für sie viel geschrieben. Da gab es noch viel zu lesen in der Zeitung. Lange her.
Heute steht eine große Anzeige der Partei Die Linke auf der Titelseite. „Die Linke im Bundestag“ ist in der Ecke auf Deutsch zu lesen. Der Rest ist auf Russisch. „Deutschland, Russland und die Zukunft“, lockt die Überschrift. So heißt eine Veranstaltung, die „im März 2018, von 17:00 bis 20:00 Uhr im Russischen Haus in der Friedrichstraße“ stattfinden soll. Als Teilnehmer sind Sahra Wagenknecht, Peter Ramsauer, Klaus Ernst, der Bürgermeister von Wolgograd und die Leiterin der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Moskau angekündigt. Das genaue Datum erschließt sich auch beim dritten Durchlesen nicht. „März 2018“ steht da. Genau genommen „des Märzes“, was im Russischen ein klares Indiz für ein fehlendes Datum ist.
Die Titelseite ist in rötlichen Farben gehalten. Auf dem zentralen Bild sieht man Martin Schulz gesenkten Hauptes. „Der rote Untergang“ heißt der Leitartikel.
Russkij Berlin, die alternativlose russischsprachige Zeitung Deutschlands, ist seit einem halben Jahr insolvent, was sie allerdings nicht daran hindert, weiterhin mehrere Fächer der Zeitungsständer in den Berliner Kiosken zu füllen. Das muss man erst mal bringen können. Der Berlin-Teil ist vor Jahren abgeschafft worden, seit Neuestem ist auch die Kulturseite dahin.
Auf der High-Tech-Webseite des Russischen Hauses ist von der März-Veranstaltung der Linken nichts zu sehen. Dort dreht sich eh alles seit Monaten nur noch um die Fußball-WM. Filme, Ausstellungen, Mal- und Fotowettbewerbe, Reisetipps, Russisch-Crashkurse. Bis auf Weiteres bleibt die Zukunft eben russisch. Irina Serdyuk
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen