berliner szenen: Will nicht immer Pirat sein müssen
Ich fahre gemeinsam mit meiner Tochter, einer Freundin und ihrem Sohn ins FEZ in die Wuhlheide. Dort angekommen stürzen sich unsere Vierjährigen zuerst auf den Mitmachzirkus und versuchen zu jonglieren. Dann entdecken sie die Pippi-Langstrumpf-Darstellerin in der Villa Kunterbunt und rennen auf sie zu. Meine Tochter fragt: „Bist du die echte Pippi?“ Die Frau mit den angemalten Sommersprossen ruft: „Klaro. Und du? Hast du echt rote Haare?“ Meine Tochter blickt fragend zu mir. Ich nicke lächelnd.
Die beiden stürmen zu einer großen Quadrobaustelle und versuchen ein Fahrzeug zusammenzubauen. Dann fragen sie: „Und wo ist die Party?“ Wir gehen mit ihnen zunächst in die Schwarzlichtminidisco im Untergeschoss und machen mit ihnen eine Sockenschlacht, dann gehen wir in den ersten Stock zur Kostümstation.
Meine Freundin und ich setzen uns Schlapphüte auf und versuchen, den Kindern Drachenkostüme schmackhaft zu machen. Meine Tochter aber winkt ab und schnappt sich ein rosa Tütü und eine Krone. Ich sehe sie erstaunt an und frage: „Seit wann magst du Prinzessinnen?“ Sie sagt grinsend: „Seit jetzt“ und zieht das Tütü über ihre Hose. Ihr Freund sieht sie neidisch an und fragt: „Darf ich auch mal?“ Sie zögert. Er bettelt: „Ich will nicht immer Pirat und Cowboy sein müssen!“ Als er ihr einen Piratenhut hinhält, lässt sie sich auf den Tausch ein. Er zieht das Tütü an und betrachtet sich stolz im Spiegel: „Jetzt musst du mir nur noch deine Krone geben, dann bin ich eine echte Prinzessin. Ich wollte schon immer Prinzessin sein.“ Sie gibt ihm die Krone und ruft: „Und ich ein wilder Pirat!“
Stolz stürzen die beiden auf die Mitmachbühne, schnappen sich die zwei Mikrofone und rufen den Kindern auf der Tanzfläche zu: „Wir sind Prinzessin und Pirat! Wir sind prinzessig und wild!“ Eva-Lena Lörzer
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