berliner szenen: Herzliche Grüße an die Verwaltung
Romane seien nichts für sie, erzählt eine Kundin der Buchhandlung, weil sie keine Zeit habe, sie am Stück zu lesen. Das Buch von Juli Zeh, das sie abholt, habe sich eine Freundin zum Geburtstag gewünscht. Ich sage, dass ich Bücher auch „fragmentiert“ lesen kann – wenn ich schlafen gehe, auf jemanden warte oder in der U-Bahn. Sie fragt mich, wo ich wohne, und wir gelangen zu einer überraschenden Erkenntnis: Bevor sie Prenzlauerbergerin wurde, lebte sie im selben Haus in Neukölln, in dem ich wohne.
„Unglaublich“, sagen wir beide, ohne Ende. Sie fängt an zu fragen, ob ich den oder die kenne, ob X oder Y noch da sind. Aber es ist schon lange her, dass sie auszog, müde von der Arbeit, die eine Kohleheizung bereitet, vor allem, wenn man im vierten Stock wohnt und die Kohle im Keller lagert. Sie erinnert sich noch an die Schlepperei und die alten Fenster, die die Wärme nicht hielten.
Und dann war da noch die Hausverwaltung. Ob die immer noch so ist? Ja, sie tut immer noch nichts, hat keine Telefonnummer und keine E-Mail-Adresse. Wenn man mit ihr kommunizieren will, muss man einen Brief an „Die Hausverwaltung“ schreiben, ein abstraktes, fantastisches Wesen ohne Gesicht, ohne irgendeinen Menschen dahinter.
Einmal, erzählt sie, hatten ihr damaliger Freund und sie ein „Mäuseproblem“. Tag und Nacht hörten sie die Mäuse auf dem Dachboden und hatten Angst, von ihnen heimgesucht zu werden. Sie schrieben dann der Hausverwaltung, und diese empfahl ihnen – natürlich schriftlich –, mit dem Besen an die Decke zu klopfen: „So gehen die Mäuse weg.“
Es waren harte, aber schöne Zeiten, sagt die Kundin. Damals hatte sie noch keine Kinder und war nicht so beschäftigt wie heute. In der Boddinstraße konnte sie so viele Romane lesen, wie sie wollte. Luciana Ferrando
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