berliner szenen: Fuck the Police, merry Christmas!
Wie jedes Jahr fragen mich FreundInnen auch diesmal, was ich an Weihnachten vorhabe. Einige sind voller Mitleid. „Buenos Aires ist zu weit weg, um hinzufahren.“ Andere zeigen sich enttäuscht, als ich sage, dass ich einfach nicht weiß, was ich mache. Sie denken, ich wolle die Rebellin spielen. Aber seit ich in Berlin wohne, hatte ich fast nie einen Plan für Weihnachten und vertraute dem Prinzip „Irgendetwas wird sich schon ergeben“.
Einmal gehen wir am 24. ins Lichtblick-Kino in der Kastanienallee. Es läuft „Das 1. Evangelium – Matthäus“ von Pier Paolo Pasolini. Wir sind zu viert im wohnzimmergroßen Kinosaal. In meiner WG machen wir den Kamin an, spielen Scrabble und trinken alles, was wir finden können. An meinem ersten Weihnachten in der Sonnenallee bleibe ich alleine zu Hause und versuche mit FreundInnen zu skypen. Sie sind alle vollauf mit den Vorbereitungen für den Abend beschäftigt. Durchs Fenster sehe ich, wie sich die BewohnerInnen des Altersheims gegenüber um den Tisch sammeln. Ein anderes Mal bin ich in der Kneipe „Peppi Guggenheim“ in der Weichselstraße. Die Wirtin trägt goldene Ohrringe und eine Bluse mit goldenen Fäden. Sie versucht Nüsse mit Biergläsern zu knacken, ich helfe ihr dabei.
2017 ist mein erstes Weihnachten mit Führerschein. Wir fahren durch die halbleere Stadt, ich fahre erstmals seit der Fahrprüfung. Wir überraschen eine Freundin in Wedding und fahren sie zu ihrem Abendessen nach Kreuzberg. Der Gastgeber improvisiert etwas Vegetarisches für uns, wir bleiben. Später, ohne Auto, trinken wir Bier an einem Späti am Mehringdamm. Der Verkäufer ruft plötzlich: „Nicht vergessen: Fuck the police und frohe Weihnachten.“ Als ich aus der U-Bahn aussteige, lächelt mich ein Mann mit Federboa an und sagt: „Merry Christmas, darling,“ und auch ich sage: „Merry Christmas“. Luciana Ferrando
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