berliner szenen: Lieder, die mit Meer zu tun haben
Ich war noch niemals in Köpenick. Warum sagte mir niemand, dass es hier so schön ist, frage ich mich, als ich wegen einer Reportage dahin fahren muss und die Gartenstraße mit ihrem Kopfsteinpflaster und ihrem Dorfflair entlanglaufe. Niemand sagte mir, dass in Köpenick nicht nur Nazis wohnen, und ich bin nicht alleine auf die Idee gekommen, dass hier auch „ganz normale“ Menschen unterwegs sein könnten.
Die Sonne scheint und die Dahme glitzert. Ein Mann, als Hauptmann von Köpenick verkleidet, trinkt mit Kumpel sein Frühstücksbier im Café am Flussufer. Im Schlosspark bin ich nicht die Einzige, die sich die Skulpturen (Giraffen, Kinder mit Schildkröte, Hühnerdieb) genauer anguckt. In der Altstadt fahren historische Straßenbahnen an mir vorbei, während ich die alte Straßenlaterne und eine Änderungsschneiderei voller Spitzentücher und Katzenmotive fotografiere. Kinder reiten die Bronzepferde am Schlossplatz, und die Eltern knipsen mit ihren Handys. Die Terrassen sind voll, als wäre der Sommer nicht zu Ende gegangen.
Zum Feierabend, ein Feierabendbier in einer kleinen Eckkneipe, in der überall Schiffsbilder, Schiffsteile und Schiffsmodelle sind. Ich bin der einzige Gast, aber stelle mir vor, dass jederzeit eine Gruppe Seemänner reinkommen wird.
Der langhaarige Wirt mit Lederweste raucht in einer Ecke und blättert eine Bild-Zeitung. Es läuft Schlager. Das Lied erzählt von einem Strand, und ich frage mich, ob es Zufall ist oder ob er nur Lieder spielt, die irgendwas mit dem Meer zu tun haben. War er früher selbst auf einem Schiff unterwegs? Ich traue mich nicht zu fragen.
Ich trinke mein Bier leer und mache mich auf den Weg nach Neukölln. Im Bus denke ich über den Tag nach, als wäre ich in einer fremden Stadt gewesen, und überlege, Urlaub in Köpenick zu machen. Luciana Ferrando
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