berliner szenen: Das sieht ganz schön schwer aus
Sonntagnachmittag machen wir einen Spaziergang durch Mitte. Das Kind ist missgestimmt. Spaziergang! Wo man so gemütlich zu Hause zocken könnte! Einziger Lichtblick: Wir treffen den großen Bruder. Der hat in wenigen Wochen Abgabeschluss seiner Bachelorarbeit und verbringt seine Wochenenden von morgens bis abends im Grimm-Zentrum, der Universitätsbibliothek der Humboldt-Uni. Wir haben uns mit ihm zum Mittagessen verabredet, damit er da mal rauskommt.
Wir treffen uns an der Oranienburger Straße, und die Jungs entscheiden sich für indisch essen. Weil die Sonne plötzlich rauskommt, essen wir draußen. Das Kind verschwindet alsbald im Inneren des Restaurants und kommt ganz begeistert zurück: drinnen ist ein Springbrunnen, und das Waschbecken auf der Herrentoilette ist von unten beleuchtet. Wie cool ist das?!
Nach dem Essen schlägt der große Bruder vor, dass wir ihn noch in die Bibliothek begleiten könnten. Diese neue Unibibliothek wollte ich mir schon längst mal angesehen haben.
Wenn das eigene Studium ewig her ist, vergisst man ja manches. Aber eigentlich ist alles wie früher, nur dass heute alle einen Laptop und Mineralwasser dabeihaben. Ansonsten sitzen sie konzentriert über Bücherstapeln und machen handschriftliche Notizen. Es ist mucksmäuschenstill. Das Kind bewegt sich andächtig über Treppen und durch Gänge voller Bücher. In einer diesen neuen Lernkabinen setzen wir uns für einen Moment hin und machen die Tür zu. „Mama“, sagt das Kind sehr nachdenklich, „das sieht ganz schön schwer aus, was die hier machen. Aber ich glaube, dass man das lernen kann. Weil man ja auch in jedem Schuljahr was Neues dazulernt. Und wenn man dann so alt ist wie die, ist das gar nicht mehr so schwierig, wie man als Kind denkt.“ Es hätte mir viel im Leben erleichtert, wenn ich das auch schon mit elf erkannt hätte.
Gaby Coldewey
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