berliner szenen: Da bestellt sich eine Kaviar
Nein, wir seien keine Groupies, erkläre ich dem Barmann, der uns amüsiert anguckt. Aber natürlich waren wir in ihrem Konzert. Und wir haben zufällig gleichzeitig „M Train“, ihr letztes Buch, gelesen. Meine Freundin in Lissabon, ich in Berlin. Manchmal riefen wir uns an und fragten uns gegenseitig, wo wir gerade sind. „War sie schon in Japan? Hat sie sich schon das Haus am Meer gekauft?“
Ich war schneller. Dafür war das Exemplar meiner Freundin signiert, sie hatte es nur erst Monate später gemerkt, nachdem sie das Geschenk aus New York geschickt bekam.
Wir seien gekommen, weil sie im Buch über dieses Café in Prenzlauer Berg schreibt, ihr Stammcafé, wenn sie in der Stadt ist, wo sie am liebsten ihren schwarzen Kaffee und ihr Brot mit Olivenöl bestellt.
Der Barmann steht da mit tätowierten gekreuzten Armen. „Wollt ihr Wodka?“, fragt er, als ich mit meiner Erklärung fertig bin. Wir trinken auf ex. „So, und wo sitzt Patti Smith, wenn sie hier ist?“, frage ich. Er zeigt auf ein rotes Sofa und dann auf den Tisch, auf dem wir gerade Warenikis und das leckerste Dessert der Welt aßen. „Nein, oder?!“, sagen wir, als ob wir doch Groupies wären. Auf der Fensterbank hinter dem Tisch steht eine alte Schreibmaschine, eine Lampe mit gelbem Licht, Polaroid-Motive.
Der Barmann sucht irgendwas auf seinem Handy, zeigt kurz ein Selfie mit Ai Weiwei und dann eins mit Patti. Das Bild sei 2015 entstanden. Damals arbeitete eine neue Kellnerin, die Patti Smith nicht kannte und wegen ihres vernachlässigt wirkenden Aussehens mit einer obdachlosen Frau verwechselte.
„Da bestellt sich eine für 70 Euro Kaviar“, sagte sie. Erst als „die Frau“ ihr einen 100-Euro-Schein in die Hand drückte, ließ sich die Kellnerin überzeugen, sie sei doch eine Stammkundin. Und vielleicht auch so was wie ein Rockstar.
Luciana Ferrando
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