berliner szenen: Spritzenplatz
Junkie-Sitcom
Berlin hat ja keinen Spritzenplatz, so wie Hamburg. Aber dafür das Kottbusser Tor, wo am Geldautomaten neulich ein dünnes, bedröhntes Junk-Punk-Pärchen (das gibt es!) vor mir versuchte, einen 10-Mark-Schein herauszupressen. „Wat heißtn, Stückelung nich möglich?“, fragte der junge Mann immer und immer wieder verzweifelt. Ich wollte eingreifen, wurde aber nicht verstanden.
Das erinnerte mich an meine alte Idee, doch mal eine Sitcom nur mit Junkies zu schreiben. Die zwei Junkie-Protagonisten würden den ganzen Tag in einer Kotti-Kulisse an einer Wand sitzen und in der typischen langsamen, angestrengten Junkie-Sprache Sachen sagen wie: „Der Typ hat aber gesagt, er kommt wieder! Ey, er wollte heute wirklich noch kommen!“. Klingt gemein, ich weiß. Aber wieso soll man sich über Alkoholiker beömmeln und über Junkies nicht?
Touristen scheinen die drogengeladene Atmosphäre unter der U-Bahn sogar ganz besonders zu mögen. Gestern stand eine Gruppe junger Franzosen und Französinnen vor mir an der „Plus“-Kasse und schaute fasziniert zu, wie drei ausgemergelte, jeansbekleidete Vokuhila-Männer (es gibt bestimmt auch unter Junkies Fashion Victims, aber nicht am Kotti) nacheinander Bierdosen und Feuerzeuge kauften: „Voilá, les Allemands! Ils boirent beaucoup! Et ils ne sont pas trés chique!“
Solche Männer sind übrigens immer besonders nett und entschuldigen sich laut und mehrmals, wenn sie sich vorbeidrängeln, weil sie doch nichts kaufen wollen. Vermutlich ist das der Effekt, den ich aus dem Vollrausch kenne: Man spricht extra langsam und deutlich, um nicht aufzufallen (bzw. zu lallen), und fällt dadurch erst recht auf.
Aber das werde ich den Kotti-Menschen vermutlich auch nicht erklären können.
JENNI ZYLKA
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen