piwik no script img

berliner szenenSonnen und trinken

Der Vater

Der Mann hing kopfüber im Gebüsch. Aus dem borstigen Grün ragte nur sein taumelnder Körper. Mit langsamen, fast eleganten Bewegungen ruderte der Mann mit den Armen. Seine Füße zogen mit ungelenken, schwankenden Schritten weite Kreise um seinen Schwerpunkt, der sich irgendwo in dem Gestrüpp befinden musste. Nach einer Weile schien ihm auch diese Anstrengung zu groß. Erschöpft verharrte er in der kopflosen Stellung. Passanten konnten nicht erkennen, ob dieser Mensch alt war oder jung. Hatte er ein Ziel? Suchte er Ruhe? Der Mann blieb alle Antworten schuldig. Er hing einfach nur im Gebüsch, mitten auf dem Grünstreifen der Karl-Marx-Allee.

Es war ein fauler, sonniger Nachmittag. Andere Berliner waren morgens in die Autos gestiegen, um draußen in den Wiesen zu liegen. Aber dieser Mann hatte schon vorher angefangen zu trinken. Wenn auf ihn ein Fahrzeug gewartet hatte, dann war es vermutlich lange abgefahren. Die Straße wirkte leer. Plötzlich gab es indes auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein helles, platzendes Geräusch. Jemand hatte aus einem Fenster der Mietshausfassade eine Wasserbombe auf den Bürgersteig fallen lassen. Der Mann im Gebüsch hörte dieses Geräusch jedoch nicht. Es war der Tag, an dem Bob Dylan Geburtstag hatte. Und er hatte gerade andere Sorgen. KIRSTEN KÜPPERS

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen