berliner szenen: Im Marlboro Country
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Gestern Abend wollte ich eine Fender Stratocaster erspielen. Dazu musste ich in die mit albernen, roten Strahlern von außen wie eine Provinzdisco aufgehübschte ehemalige Staatskanzlei zum Marlboro-Club-Tour-Gambling-Sound-Event-Scheiß. Man bekam am Eingang gleich ein paar Marlboro-Jetons in die Hand gedrückt, die leider auch nur in Marlboro Country gelten: an den Roulette-, Black-Jack- und Seven-Eleven-Tischen, die die Club-Tour im Erdgeschoss aufgebaut hatte. Dazu wurde Miller Bier gesponsert, das im Prinzip wahrscheinlich das Richtige für eine Blasenentzündung ist, bei der man vor allem Spülen, Spülen, Spülen soll, wie das die Ärzte gerne ausdrücken. Ich setzte mich gleich an den Black-Jack-Tisch und spielte mit einem Fremden die Szene nach, in der James Bond irgendeines seiner Betthäschen kennenlernt. Ich war natürlich James Bond.
Leider hatte ich weniger Glück und verspielte, wie im richtigen Leben, in Nullkommanichts sämtliche Chips, so dass es nicht mal mehr für „ein Zippo oder eine Gürtelschnalle“ reichte, wie es die „Eventmanagerin“ vorher ausgedrückt hatte. Richtig elegante Spielsalon-Atmosphäre kam also nicht auf, eher Ostberlin-Fake-American-Bar-Stimmung. Nicht zu vergleichen mit dem Erlebnis, das eine meiner Freundinnen einmal in dem mit herrlich fertigen, spielsüchtigen Zuhältern vollgestopften Forum-Hotel-Casino hatte: Sie saß am Roulette-Tisch und maulte: „Ich weiß nicht, worauf ich setzen soll.“ Der sehr hübsche Croupier mit den großen, wendigen Fingern sagte: „Wie wär’s denn mit deiner Telefonnummer?“ Und was macht meine Freundin, die dumme Nuss? Antwortet „Nee, ist zu lang.“ Neurodermitis könnte man kriegen vor Wut darüber.
JENNI ZYLKA
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