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Archiv-Artikel

berliner szenen Stofftiere

Allzu menschlich

Nachahmung eignet sich oft zur schonungslosen Welterklärung: Eltern lästern flüsternd über die Nachbarn, und das Kind nennt prompt in mimetischer Schmiegsamkeit sein Kuscheltier „Nachbar“. Die Eltern sind betroffen ob ihrer wirkmächtigen Flüsterei, stellen das Reden über die Nachbarn ein, müssen jetzt aber vor dem Schlafengehen immer nach „Nachbarn“ suchen.

Der Gipfel gelungener Mimesis wird seit drei Jahren allmonatlich erreicht. In der Soap „Humana – Leben in Berlin“, mit den Stofftieren aus dem gleichnamigen Second-Hand-Imperium. Ralf heißt hier die Hauptfigur, eine Plüschsau im Supermann-Kostüm. Der lebt und leidet: Es kracht in der Beziehung, er will ausziehen. Dann wird aber doch umgezogen, gemeinsam, mit Wickelkommode.

Nun sind Szenen aus dem Privatleben halb junger Berliner nicht unbedingt wahnsinnig interessant. Der Trick hier: Die typischen halb jungen Dialoge werden von entsetzlich putzigen Stofftieren gesprochen – vor einem halb jungen Berliner Publikum, das jedes Mal wieder gleichzeitig grausam entschlossen und unsäglich gerührt lauscht. Ein Publikum, das sich mit Freuden auf- und vorgeführt sieht.

Auch heute wieder zeigen Ulrike Dittrich und Andreas Walter von der Theatergruppe Interpicnic eine Folge ihrer Berliner Typenkunde in Plüsch: phlegmatische Füchse, begriffsstutzige Schweine und hysterische Bienen mauscheln sich durch Rollenspiele, wie sie jedem wohlbekannt sind durch langjährigen TV-Abusus und WG-Selbsterfahrungstrips. Und immer wieder Ralf, der Probleme hat und wieder loswird. Viel humaner kann die Mimesis der Prenzlauer-Berg-Sprechblase kaum ausfallen.NORA SDUN