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Archiv-Artikel

berliner szenen Schlaflos am Boxi

Der Rülps-Idiot

Als ich vor vier Jahren an den Boxhagener Platz zog, versaute mir der Trompeten-Idiot die erste Woche. Jede Nacht gegen drei Uhr setzte er an und blies mich aus dem Schlaf. Ich stellte mir dann immer vor, wie ich aus dem Bett springen, die Tür zu meinem Balkon aufreißen und dem Trompeten-Idioten etwas sehr Ausfallendes entgegenbrüllen würde. Doch dazu kam es nie. Jedes Mal, wenn mein Körper und mein Gehirn endlich so weit waren, hatte der Trompeten-Idiot schon aufgehört.

Nun hat der Trompeten-Idiot einen Nachfolger. Und wäre rülpsen nicht noch dämlicher als nachts Trompete spielen, würde ich sagen, der Rülps-Idiot wäre ein würdiger Nachfolger. Seit zwei Wochen taucht der Rülps-Idiot in meiner Straße auf. Ich habe ihn noch nie gesehen, aber ich kann ihn hören. In meinem Schlafzimmer, in meiner Küche und sogar durch das sehr kleine geschlossene Badezimmerfenster. Der Rülps-Idiot rülpst so laut, dass es in der Häuserschlucht meiner Straße hallt.

Am Anfang fand ich das Rülpsen nur verblüffend laut. Dann eklig. Zwischendurch hatte ich dann etwas Mitleid mit dem Rülps-Idioten, weil er anscheinend sehr wenig zu tun hat. In letzter Zeit habe ich mir aber überlegt, dass mir die Kumpels vom Rülps-Idioten, die er sicherlich als Publikum immer dabei hat, mehr leidtun.

Ich stelle mir vor, wie sie mit dem Rülps-Idioten stumm vor ihren Bieren in irgendeiner Kneipe sitzen, dann rausgehen und betroffen auf den Boden starren, während der Rülps-Idiot rülpst. Später sitzen sie dann bei ihrem Vater auf der Couch. Und wenn der fragt, was sie so gemacht haben, sagen sie: „Wir waren was trinken. Und dann hat Mike noch etwas gerülpst.“

HANNAH PILARCZYK