: berliner szenen Kiffer sind ganz okay
Hasch in der Kleinstadt
Uta mochte keine Kiffer. Für sie waren das so langhaarige, schmuddelige Typen vom Lande, mit wirren Augen und paranoiden Weltsichten, die Unmengen von Haschisch durch selbst gemachte Röhren in sich hineinsaugen, weil ihnen sonst nichts einfällt, was ihnen Spaß macht.
Ich fand Kiffer ganz okay. So wie man sofort auch Gefühlslinke und Gutmenschen gut findet, schon allein aus Protest gegen die Authentizitätsbehauptung der Gegenseite. Die Kiffer hatten jedenfalls einen Erinnerungstag, immer am ersten Samstag im Mai. An diesem Tag würden „Erdpfeifen“ geraucht auf dem Kreuzberg, hatte mir vor Jahren mal ein ehemaliger Haschrebell in Charlottenburg erzählt.
An diesem ersten Samstag im Mai fand jedenfalls der „weltweite Million Marihuana March“ nicht nur in Los Angeles und Tokio, sondern auch in Leipzig, Rostock und Potsdam statt. Es gab Infostände und Demonstrationen. Redner erinnerten an einen Familienvater, der heute in Singapur gehängt werden soll, weil er mit einem Kilo Cannabis erwischt wurde. Und ich dachte an die Kleinstadt, in der ich aufgewachsen war, an diesen langhaarigen Typ im Parka, von dem man munkelte, er sei drogensüchtig. Wie der da so auf dem Wanderweg entlangging. Mit langen Haaren. In einem Bundeswehrparka. Dies Insichgekehrte mochten die Leute nicht; das kam ihnen komisch vor. Er war der Sohn von jemandem, den man nannte. Sein schlechtes Image färbte auf die Eltern ab, man sprach im Ton des Bedauerns über sie, obgleich oder weil sie der kleinstädtischen Oberschicht angehörten. Keine Ahnung, was aus dem geworden ist.
Uta waren jedenfalls später die Pillen, die sie in ihrer Unterhose versteckt hatte, ins Klo gefallen. DETLEF KUHLBRODT