: berliner szenen Der schlappe Fan
Dreißig Jahre Schalke
Wir gucken das Europacupspiel zwischen Schalke und Fenerbahce Istanbul in einer Kreuzberger Kneipe, wo oft Punkrockmusik aus den 80ern läuft. Im hinteren Bereich ist die Leinwand, ungefähr zwölf Männer und eine Frau sind da. Ein junger, gut aussehender Berliner Türke, der neben seinem Freund auf einem Barhocker sitzt, ist entsetzt, weil alle Anwesenden für Schalke sind. Häufig macht er nörgelnde Bemerkungen, zum Beispiel „Scheiß-04, die können überhaupt nichts“; die Schalker Fans: völlig langweilig; das Schalke-Stadion: total scheiße, es gäbe ja nicht einmal Leuchtraketen.
Völlig unmöglich auch, dass keiner hier ihm widerspreche. Was sind denn das für Fans? Ich sag nichts, während mein Kopf denkt: Seit dreißig Jahren für Schalke! Keine Lust, mich zu streiten, beim richtigen Fußball geh ich ja auch nicht mehr voll rein. Während der Halbzeit sagt der Istanbul-Fan zu seinem Freund: „Lass uns das Spiel mal lieber drüben sehen.“ Drüben, auf der anderen Seite der Straße, ist ein vor allem von Türken besuchtes Café, in dem Fußball eher auf Seiten Istanbuls geguckt wird. Die beiden bleiben aber doch und spielen später Tischfußball, während wir nach Spielende bezahlen. Die Frau hinter der Theke berechnet Freund B. ein Bier mehr, als er getrunken hat. B. protestiert. Sie besteht nicht auf ihrem Irrtum. Er gibt ihr einen Euro Trinkgeld und ärgert sich noch Stunden, dass er das gemacht hat. Was für eine Unverschämtheit, ihn „bescheißen“ zu wollen. Das hätte sie nur gemacht, weil er fremd hier gewesen wäre, das würde sie garantiert bei allen machen, die da neu hinkämen, er würde da jedenfalls nie mehr hingehen. Ich bin für die Unschuldsvermutung, glaube aber auch nicht wirklich daran. DETLEF KUHLBRODT