piwik no script img

Archiv-Artikel

berliner ökonomie Imagekorrektur mit Feng-Shui

Dank Magnetfeldforschung hat die Harmoniesucht über das Wohnzimmer hinaus nun auch die Arbeitswelt erreicht

„Die Chemie stimmt zwischen uns nicht“, sagte man bisher in Kleinbetrieben und auch in Beziehungen, wenn man sich von jemandem trennen wollte oder meinte, es zu müssen. Nun wird beim Abstoßen von Mitarbeitern und Partnern immer öfter auch noch „die Physik“ bemüht – in ihrer chinesisch-geomantischen Fassung: Feng-Shui genannt. In China gibt es keine Friedhöfe, deswegen kommt in diesem vom Ahnenkult beseelten Land einer optimalen Orts- und Lagebestimmung von Grabstätten große Bedeutung zu. Darüber hinaus befassen sich Feng-Shui-Meister spätestens seit Ende der Kulturrevolution auch noch mit der Situierung von Geschäftsniederlassungen und Wohnhäusern – so ähneln sie den hiesigen Wünschelrutengängern.

Feng-Shui bedeutet „Wind und Wasser“. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass zwischen Himmel und Erde Energieströme fließen. Die positiven heißen „chi“ und werden als „Drachenlinien“ bezeichnet. Sie entstehen mit der Strömung unterirdischen Wassers und durch Magnetfelder. Dementsprechend versuchen die Feng-Shui-Meister, die Domizile von Lebenden und Toten an einer solchen „Drachenlinie“ entlang zu situieren – und damit vor gefährlichen Gegenströmungen zu schützen. Ihr segensreiches Wirken korrespondiert laut Bruce Chatwin „mit dem allen bekannten Gefühl, dass manche Häuser ‚glücklich‘ sind und andere eine ‚unangenehme Atmosphäre‘ ausstrahlen“.

Wenn die Häuser erst mal stehen, kann man nur noch einzelnen Räumen mit Feng-Shui beikommen: indem man Möbel umstellt oder zusätzliche anschafft. So wird aus dem Feng-Shui-Meister ein Einrichtungsberater. Die „mörderischen Punkte“ können dem wohltuenden „chi“ sogar im zwischenmenschlichen Verkehr entgegenwirken, deswegen empfiehlt sich der kluge Meister auch als Unternehmensberater.

Der Literaturwissenschaftler und Feng-Shui-Autodidakt Detlef Kuhlbrodt bewegt sich gerne zwischen diesen Bereichen – als selbständiger Journalist und jemand, der ständig seine Wohnung umräumt. Er habe bereits „jedes Möbelstück an jede mögliche Stelle der Zimmer gezerrt und die störende Welt aus dem Eckzimmerfenster beobachtet,was Feng-Shui-technisch ein großes Unglück ist“, schrieb er 2001. Und im Jahr darauf rätselte er: „In der Nahbeeinflussung versuchte sich Rostocks Trainer Armin Veh, … der an seine Trainerbank ein Feng-Shui-Zeichen geklebt hatte. Man hätte gerne gewusst, ob er seine Mannschaft anfangs Feng-Shui-mäßig, etwa in Form eines Pfeils, auflaufen ließ, der tödliche Energie Richtung Kaiserslautern gesandt hätte.“

Für Kuhlbrodt ist Feng-Shui eine geeignete Methode bei der Feinstoffanalyse des Sozialen und zur Selbstberatung. Anderen, wie Claudia Tschirner, dient sie zur „Sexualberatung“ ihrer Klienten; wieder anderen hilft sie bei der Wahl des richtigen Haustieres oder der passenden Zimmerpflanzen. Dagegen setzt ein gewisser Reiner Padligur Feng-Shui zur „Geschäftsberatung“ ein, um bei seinen Gewerbekunden eine „Steigerung der Arbeitsmotivation und Leistungseffizienz der Mitarbeiter“ zu erreichen. Bei den Amis hat sich der Feng-Shui-Mist unterdessen schon zum Literaturgenre ausgewachsen, mit Büchern wie „The Feng Shui Detective“ oder „Feng Shui Mysteries“. Am irrsten fand ich das Buch „How to Use Feng Shui to Get Love, Money, Respect“. Aber es gibt wahrscheinlich bald auch hierzulande keinen gesellschaftlichen Bereich mehr, dem man nicht gedanklich oder kommerziell mit Feng-Shui beizukommen versucht, um ihn zu verbessern, zu effektivieren und vor allem zu „harmonisieren“.

Für Kunden und Konsumenten, die sich darauf einlassen, mag das subjektiv oder auch objektiv hilfreich sein. Wer jedoch, ohne es zu wollen, von einer Feng-Shui-Maßnahme betroffen wird, ist entsetzt. So wie meine Friseusin Elke Fehrmann, die dazu vor kurzem vom Regionalblättchen Kreuzberger Chronik interviewt wurde. Sie stammt aus dem Osten, wo man unkündbar war, ist gelernte Friseusin und zugleich Kunstmalerin. In ihrem kleinen Friseurladen „Caprice Head“ in der Skalitzer Straße 104 steht deswegen auch eine Staffelei, an der sie arbeitet, wenn keine Kunden da sind.

Nach dem „Mauerfall“ fand sie zunächst eine Anstellung bei einem Ku’dammfriseur. Bis die Chefin eines Tages einen Meister des Feng-Shui ins Haus lud, der feststellte, dass Elke Fehrmann einfach nicht genügend positive Energie mitbringe ins Geschäft. Sie habe zwar Feuer, aber sie zünde nichts an. Außerdem würden die Sternzeichen der beiden Frauen nicht harmonisieren, die Trennung sei unvermeidlich: „Also wurde ich entfernt. Nach beinahe zehn Jahren der Zusammenarbeit!“ HELMUT HÖGE