■ beiseite: Down Under
Transsexuelle Stripper, Aborigines und Postbeamte, die unzustellbare Briefe beantworten, kommen nach Berlin. Das australisch-neuseeländische Filmfestival „Down Under“ bringt sie und andere Antipoden in den nächsten beiden Wochen in die Kinos Blow Up, filmkunst 66 und Balazs.
Eröffnet wird das Festival am Sonnabend um 20.30 Uhr in der Parochialkirche mit Kostproben australischen Weins und einer Auswahl der 14 besten Beiträge zum diesjährigen Tropicana-Kurzfilmfestival. Dort durften Filme teilnehmen, die an irgendeiner Stelle chinesische Eßstäbchen zeigen. 400 Filmfreaks aus ganz Australien unterwarfen sich dieser Bedingung. Ihre Werke über die Verwendung von Eßstäbchen beim Sex und in anderen Zusammenhängen wurden in sechs australischen Großstädten gezeigt – in einer Nacht vor über 30.000 Zuschauern. Außerhalb Australiens werden diese Filme nur in Berlin präsentiert. Wer die Aufführung am Samstag verpaßt, hat nur eine zweite Chance: am 10. 8. im Blow Up.
Die 23 weiteren Filme des Festivals werden dagegen in jedem der drei Kinos mehrmals gezeigt. Ein besonderer Schwerpunkt ist dabei eine Retrospektive mit Filmen von Dennis O'Rourke, der zwar hierzulande kaum bekannt ist, aber als bedeutendster Dokumentarfilmregisseur Australiens gilt. In „Cannibal Tours“ rechnet er mit dem Exotiktourismus ab: „Zivilisierte“ Europäer fallen bei einer Bootstour in Neuguinea über die „primitiven“ Eingeborenen her. „Yap“ zeigt, wie die letzte fernsehfreie Insel im Südpazifik mit einer TV-Station und fünfzig Fernsehgeräten beglückt wird. In „The Good Woman of Bangkok“ geht es um eine thailändische Prostituierte, die O'Rourke vergeblich zum Ausstieg zu bewegen versuchte. „Half Life“ ist ein Film über den Abwurf einer amerikanischen Wasserstoffbombe im Pazifik: 1954 hielt es niemand für nötig, die Zivilbevölkerung zu evakuieren – entsprechend viele Menschenleben forderte die Bombe.
Ebenfalls ein Dokumentarfilm ist „Talking Broken“ von der in Berlin lebenden Regisseurin Frances Calvert. Er handelt von der Kolonialgeschichte der zwischen Australien und Papua-Neuguinea gelegenen Torresinseln – seit der Ankunft der ersten weißen Missionare im Jahr 1871.
Die Kirchenmänner wollten nichts von multikulturellen Inseln wissen und beseitigten Kannibalismus ebenso wie andere indigene Traditionen. Seit eine Ölpest in den 60er Jahren ihren natürlichen Lebensraum zerstörte, sind die Insulaner abhängig von der Fürsorge Australiens. Die Regisseurin ist bei den Vorführungen dabei (am 2. 8. im Balazs, 3. und 4. 8. im filmkunst 66).
Drei Filme werden beim „Down Under“-Festival zum ersten Mal in Deutschland aufgeführt: In „Dead Letter Office“ von John Ruane sucht die junge Frau Alice ihren Vater – in einer Postnachforschungsstelle. „Harlekin“ von Simon Wincer verspricht „Elemente des Märchens, des Polit-Thrillers und des okkulten Horrors“. Und in „Heaven“ von Scott Reynolds flieht Robert – von seiner Ex-Frau verlassen und ausgeplündert – ins Transsexuellenmilieu. Wem das zu bizarr ist, der kann sich an Klassiker halten: „Gallipoli“ ist ein Film über australische Freiwillige, die im Ersten Weltkrieg in einen sinnlosen Tod geschickt wurden. In „Walkabout“ treffen zwei Stadtkinder in der australischen Wüste auf einen jungen Aborigine. Martin Ebner
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