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■ beiseiteTanztheater

„Kommen Sie nicht donnerstags, da sind die Leute im Kopf noch immer bei ihren Geschäften, kommen Sie freitags“, rät VA Wölfl nach der Probe. Freitags sei es oft besser, da haben die Tänzer schon einmal das Verhalten der Zuschauer beobachtet.

Denn in der offenen Versuchsanordnung von „Arbeitstitel: Arbeit“ ist das Publikum der große Unbekannte, mit dem sich die Tänzer in einem Raum wie zwei Elemente in einem Reagenzglas bewegen. Am Anfang bilden beide Gruppen eine ununterscheidbare Menge von beobachteten Beobachtern, und erst allmählich scheiden die choreografischen Strukturen die einen von den anderen.

Im Hebbel-Theater findet dieser Prozess das erste Mal auf einer Bühne statt, hinter dem eisernen Vorhang: Wie in einem Turm fühlt man sich zwischen den schwarzen, hohen Bühnenwänden. Im Mousonturm Frankfurt spielten sie im Foyer, im Marstall von Schloss Benrath, seit zehn Jahren Domizil der Düsseldorfer Gruppe „Neuer Tanz“, bildeten Bar und Kellner den Rand der Szene. „Am schönsten war es“, erinnert sich eine Tänzerin, „im Sprengel-Museum Hannover. Da flanierte das Publikum wie durch ein Museum, bildete mal hier eine dichte Traube, zog sich da wieder auseinander.“

Da bekommt man dann auch schon mal den Eindruck, im Weg zu stehen. Bei der Raumprobe halte ich mich am Rande, weiche ausgerollten Tanzteppichen, Tischen oder Lichtschienen aus und schaue den Tänzern zu, die in alle Richtungen laufen, Bremswege austesten, ihre Bewegungen synchronisieren und wieder auseinander fallen.

VA Wölfls Thema bleibt der Raum und wie der eigene Standort, das Licht und die Einschränkung des Blicks die Wahrnehmung verändern. In der Szene der freien Tanzcompagnien gilt Wölfl, der 1987 zusammen mit der Choreografin Wanda Golonka „Neuer Tanz“ gründete und seit 1995 alleine leitet, als der „bildende Künstler“ – und das klingt fast wie eine Drohung. Man sagt „Neuer Tanz“ Minimalismus, Abstraktion und Verweigerung von Konventionen nach. Auch im Hebbel-Theater wird sein Stück im Rahmen der Ausstellungen zum XX. Jahrhundert mit Ausrufezeichen versehen.

Dabei ist Wölfl alles andere als ein professioneller Spielverderber, der das Publikum ständig an die Grenzen seiner Sehgewohnheiten stoßen muss. Er verweigert nicht das Spiel, sondern verändert die Regeln mit einem trockenen Humor und gewinnt neues Material aus der Zerlegung des Aufführungsprozesses. Aus den verschobenen Elementen entsteht eine umgedrehte Ordnung: „Arbeitstitel: Arbeit“ endet, wenn die Zuschauer endlich auf Stühlen Platz genommen haben und von der Bühne aus auf die leeren Ränge schauen.

„Noch in keinem Stück haben wir so viel gesprochen,“ stellt Wölfl fest, etwas genervt vom Klischee des sprachlosen Tänzers. Alle reden, kommentieren ihre Arbeit, lassen sich am Rande in private Gespräche verwickeln. Wenn sich das Zufällige mit dem Geplanten vermischt und die Realität des Publikums mit der Scheinrealität des Theaters zu verschmelzen beginnt, entsteht eine eigenartige Spannung. Wie lange die trägt, ab wann die vereinbarte Struktur die Steuerung übernimmt, stellt sich an jedem Abend anders heraus. kbm

„Arbeitstitel: Arbeit“, heute und morgen ab 20 Uhr im Hebbel-Theater, Stresemannstr. 29, Kreuzberg

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