■ beiseite: Theater
Claus Peymann lud zur Pressekonferenz auf die Probebühne des Berliner Ensemble, und alle kamen. Selbst wenn es laut Ankündigung nur um Organisatorisches gehen sollte, die neue Preisgestaltung und noch einige Schmankerln am Rande.
Also, die Preise: Die billigsten Karten werden ab jetzt 10 Mark kosten, die teuersten 60 Mark. Die teuren sollen die billigen finanzieren, „die Reichen für die Armen bezahlen“, sagt Peymann. Die ermäßigten Karten wird es in Zukunft auch im Vorverkauf geben. So entfällt das „entwürdigende Anstehen“ an der Abendkasse für alle finanziell Minderbemittelten, sagt Peymann. Wunderbare Wiener Dezenz. Statt bisher fünf Kategorien wird es nur noch vier geben, über die Hälfte der Plätze wird billiger. Gleichzeitig gibt es jetzt mehr teure Plätze: Die Pieck-Loge aus alten Tagen wird abgerissen, die hübsch verpackten Einzelteile ins Museum gebracht. Ist das BE noch das BE?
Auch eine „Pausenversorgung“ wird es künftig geben. Das schicke „Ganymed“ von nebenan macht Spezialtellerchen, die man vor Vorstellungsbeginn zusammen mit der Eintrittskarte ordern kann. Das Preiswerteste hat den klangvollen Namen „Drei-Groschen-Happen“ und besteht aus Partybouletten und noch was für neun Mark. Billig ist also volkstümlich respektive proletarisch. Wir sind schließlich in Berlin. Im BE.
Es darf gekostet werden. Peymann steht in der Mitte und fuchtelt ein wenig ungelenk mit einem Teller herum, Dramaturg Beyl nimmt ihn ihm irgendwann ab und reicht ihn mit aufmunternden Worten weiter. Weigel, Brecht, Garbo und Chaplin schauen fotokopiert dabei von der Stirnwand herab.
Dann die Wahlabonnements, „auch als Geschenk sehr zu empfehlen“: zehn Schecks von 80 Mark aufwärts bis 240 Mark. Mit Verteilaktionen vor den Konkurrenzhäusern, aber auch in einschlägigen Vorlesungen soll mehr Kundschaft herangezogen werden. Weitere Ködermaßnahmen sind eine Nachmittagsvorstellung im Monat am Sonntag für Eltern: Kinder von eineinhalb bis ungefähr zehn Jahren sollen professionell betreut werden, während die Eltern im Theater sitzen. Die Fahrradständer werden überdacht. Und Schulen sollen besucht werden: „Da kommt auch die Prominenz.“ Sagt Peymann. Währenddessen wird draußen heftig ausländisch geschimpft, Bauarbeiter.
Mit der Mahnung, dass die Botschaft hinausgetragen und unter das Volk gebracht wird, darf man gehen. Ja, das BE will (wieder) zum Volk. Das BE wird wieder das BE. Das runde Emblem auf dem Dach wird bleiben. Sagt Peymann. Heute beginnt der Verkauf der Wahlabos.
Ingrid Beerbaum
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen