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■ beiseite9. November

Beim nächsten Mal wird alles anders. In zehn Jahren. Ganz bestimmt. Diesmal muss es noch einmal mit den Scorpions, City und Udo Lindenberg funktionieren. Heute (Tag des Mauerfalls, wir berichteten) rocken die drei ab 22.30 Uhr vor dem Brandenburger Tor. Passenderweise beendet das Konzert gleichzeitig das „Europäische Jugendfest“. Das wird sicher schön, genauso wie die Ansprachen der Bundesjugendministerin Dr. Christine Bergmann, des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Eberhard Diepgen, und des Bundeskanzlers Gerhard Schröder. Wenn dir das zu hart ist, bist du zu weich.

So richtig flutscht das mit dem Eventmanagement in dieser Stadt allerdings nicht: Die vom 9. November 1999 (also morgen) bis 9. Januar 2000 geplante Mauer-Kunst-Ausstellung vor dem Berliner Abgeordnetenhaus wird wegen Geldmangels nicht realisiert, wie heute bekannt wurde. Der Kurator und Organisator Sylvestre Verger hat entschieden, dass ohne jegliche finanzielle Unterstützung eine so umfangreiche Ausstellung nicht ausgerichtet werden kann. Selbst die Stromversorgung und die Bewachung der Kunstwerke hätten vom Organisator selbst getragen werden müssen.

Schade. Die Wanderausstellung ist ein „einzigartiges Zeugnis europäischer Geschichte“, erklärt dpa: International renommierte Künstler haben sich 1989 auf unbemalt gebliebenen Mauersegmenten aus dem Niemandsland „verewigt“. Unter dem Titel „Künster für Freiheit“ wurde die Sammlung bereits in Madrid, London, Lyon und zuletzt in Nikosia gezeigt. Und in Berlin eben nicht, und morgen schon gar nicht.

Egal. Geht man eben zu Barbara Kremer, die ihr Objekt „Mauerschoner“ zeigt. Morgen zwischen 13 und 18 Uhr verhüllt die Künstlerin am Checkpoint Charlie ein „Originalsegment der Berliner Mauer mit einem gestrickten und gehäkelten Überzug aus 22 kg reiner Schafschurwolle, 2,5 kg Polyacryl-Garn, seitlich geschlossen mit 7 Holzknöpfen“. Man muss das im O-Ton ankündigen: „Hier die 'mit Liebe‘ angereicherte 'weiblich-weiche‘ Handarbeit, die noch aus Trümmern Heimeliges zu schaffen weiß“, heißt es in der Pressemitteilung, „da die 'männlich-harte‘ Betongießtechnik, die mit Macht ein Land abzugrenzen in der Lage war. Wir laden herzlich ein.“

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