piwik no script img

beiseiteAus für Jazzfest?

Eine gewisse Gereiztheit ist spürbar. Beim Kultursenat sagt die Pressesprecherin, sie könne nicht bestätigen, was noch nicht beschlossen sei. Von „Abwicklungskosten“ war schon die Rede, vom Aus für das Berliner Jazzfest gar. Und das, obwohl es das Papier offiziell nun eigentlich gar nicht geben soll. Das Papier, in dem es um eine „Nachschiebeliste“ des Kulturhaushaltes geht, um Einsparungen und Verschiebung von Kosten.

Diese Liste wird am Donnerstag von Frau Thoben im Abgeordnetenhaus vorgestellt. Wie und in welchem Interesse die darin enthaltenen „Vorschläge“ zur Einsparung der Kulturkosten dieser Stadt dennoch vorab den Weg in die Medien fanden, darüber spekuliert man bei der Kultursenatorin dieser Tage kräftig. Bestätigt wurde dann vorab doch der Plan, dass – sollten sich die Abgeordneten nicht anders entscheiden – der jährliche Senatssupport für das Jazzfest in Höhe von 208.000 Mark zur Disposition stehe. Der Jazz hat in in den politischen Institutionen Berlins keine Lobby.

Das rief Meister Eckhardt auf den Plan. Der Intendant der Berliner Festspiele GmbH, die „im Auftrag“ auch das Berliner Jazzfest ausrichtet, will von den Kürzungsplänen selbst erst aus der Zeitung erfahren haben, moniert das schlechte Kultur-Benehmen des Senats – und will für das Hauptstadtevent kämpfen.

Das Jazzfest, das 1964 von Joachim-Ernst Berendt als Berliner Jazztage gegründet wurde, gilt als das bedeutendste Jazzfestival Europas und als eines der streitbarsten weltweit. Gerade in den letzten Jahren häufte sich schon im Vorfeld dieser Veranstaltung derart lautstarke Kritik – Rufe nach einer neuen künstlerischen Leitung, nach einer flexibleren Entscheidungsstruktur und nach einem mutigeren und auch zeitgemäßeren Umgang mit Trends, Hype und Glamour wurde laut –, dass die FAZ in ihrer letztjährigen Festivalrezension schon klassenkämpferische Klischees beschwor. Zwischen den Jazzfest-Kritikern witterte sie „Seilschaften des Missmuts“, die sich an jenem ehrwürdigen Fest vergehen würden.

Dabei wurde doch in der Kritik vor allem vorgeführt, welch kreatives Potenzial in dieser Musik und der Festival-Idee steckt. Auch vierzig Jahre nach Erfindung des Free Jazz suchen noch Musiker ihr Publikum, auch sechzig Jahre nach der Bebop-Revolution gibt man sich hier vom Mainstream unberührt. Das Programm des Jazzfests ist über Jahrzehnte streitbar geblieben – und das ist etwas, dessen sich heute nur noch wenige überregionale Kulturereignisse rühmen können.

Die Finanzierung des Jazzfests teilten sich in den vergangenen Jahren der Senat, die ARD und die Landesbank Berlin als Hauptsponsor. Dass die Landesbank „turnusmäßig“ in den folgenden Jahren als Sponsor ausfällt – und ein neuer noch nicht gefunden ist –, hätte dem Kultursenat eigentlich bekannt sein müssen. Würde nun noch der Senat als Geldgeber wegfallen, reicht der Etat gerade noch für ein weiteres Provinzwochenende mit Jazz, an dem schließlich die ARD auch kein sonderliches Sende-Interesse mehr haben wird.

Beim Kultursenat tut man nun sehr erstaunt. Frau Thoben wolle sich um neue Geldquellen für das Jazzfest bemühen, aber die Nachschiebeliste stehe. Um weiteren Missmut abzuwenden, wolle Frau Thoben nun dringend Herrn Eckhardt anrufen.

Christian Broecking

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen