beherzte basken bekämpfen bodega von RALF SOTSCHECK:
Schlägereien sind in der Dubliner Innenstadt an der Tagesordnung, vor allem an den Wochenenden. Meist ist Alkohol mit im Spiel, manchmal auch Drogen, aber niemals Politik. Jedenfalls bis die Basken kamen. Eine Gruppe von 40 Sympathisanten der baskischen Separatisten-Organisation ETA waren auf Einladung befreundeter irischer Organisationen nach Dublin gekommen.
In der Fußgängerzone der irischen Hauptstadt verteilten sie Flugblätter, um auf ihre Unterdrückung durch den spanischen Staat aufmerksam zu machen. Als sie sich danach in Temple Bar, dem Dubliner Vergnügungsviertel, für ein Erinnerungsfoto versammelten, entdeckten sie plötzlich ein spanisches Restaurant: „La Paloma“. Aus dem Laden drang laute spanische Musik, vor der Eingangstür flatterte provokant die Fahne der spanischen Fußball-Nationalmannschaft.
Das war zu viel für die Basken. Sie fielen über das Restaurant her, zerrissen die Fahne und demolierten die Neonbeleuchtung. Dabei hätten die Iren weitaus mehr Grund gehabt, die Fußballflagge zu beseitigen, wurden sie bei der Weltmeisterschaft in Japan und Südkorea doch von den spanischen Fußballern nach Elfmeterschießen besiegt. Die Basken hatten jedoch nicht Fußball im Sinn, als sie die feindliche Fütterungsstelle attackierten.
Als der Sohn des Besitzers herauskam und beteuerte, dass lediglich das Essen spanisch, Besitzer und Angestellte jedoch durch und durch irisch seien, nützte ihm das nichts, er wurde von den Unabhängigkeitskämpfern mit zwei blauen Augen ins Restaurant zurückgeschickt. Sein Vater hatte inzwischen die Polizei alarmiert, die einen einzigen Beamten entsandte. Er war überrascht, dass man seine Frage nach der Ursache für den Unmut mit ein paar Fausthieben beantwortete, und forderte sicherheitshalber Verstärkung an.
Als die Kollegen eintrafen, entwickelte sich im Handumdrehen eine zünftige Keilerei – sehr zur Freude einer englischen „Stag Party“. So nennt man den Abschied vom Junggesellenleben. Bei diesen Feiern fallen jedes Wochenende hunderte von jungen Engländern in Dublin ein und trinken so viel Alkohol, wie es die Zeit zulässt. Meistens prügeln sie sich danach untereinander, sodass eine exotische Schlacht zwischen Basken und irischen Polizisten, bei der man mitmischen konnte, eine willkommene Abwechslung war. Der Kampf verlagerte sich auf die Ha’penny Bridge, eine schmale, gusseiserne Fußgängerbrücke über den Fluss Liffey, von der es kein Entkommen gab. Erst als es der Polizei gelang, drei Basken festzunehmen, löste sich die multinationale Veranstaltung auf.
Am Ende schwammen Dutzende Polizeimützen und baskische Fahnen in der Liffey und trieben vereint dem Meer entgegen. Vielleicht werden sie irgendwann im Baskenland angeschwemmt, wo sie einen Ehrenplatz im Trophäenschrank erhalten werden, wenn das Baskenland eines Tages unabhängig ist. Dann wird der beherzte Einsatz der 40 Genossen in Dublin als Meilenstein im Kampf für die Freiheit in die Geschichtsbücher eingehen. Jedenfalls in die baskischen.
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