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Archiv-Artikel

barbaren in beijing Beim Asiaten hört es einfach auf

Natürlich hat niemand etwas gegen Chinesen. Aber irgendwie sind sie anders, finden einige. Und überhaupt seien es viel zu viele

Die lächeln nicht, die grinsen nur. Auf der Dachterrasse des Medienzentrums auf dem Olympiagelände sitzen wir am Ende des Tages zusammen und betreiben – wie so oft in diesen Tagen – Völkerkunde. Da sollen auch jede Menge Spitzel dabei sein, weiß einer. Genau, die grinsen nur, stimmen andere ihm zu. Auch ich habe mich schon darüber gewundert, dass ich den ganzen Tag in freundliche Gesichter schaue. Wie machen die das?, frage ich mich regelmäßig. Wahrscheinlich wohne ich schon zu lange in Berlin, um mir vorstellen zu können, dass es Menschen gibt, die den ganzen Tag lang wirklich freundlich sein können.

Eine Woche sind die meisten von uns jetzt schon in Peking, und mancher ist schon richtig schlau geworden aus den Chinesen. Einige erzählen, dass sie sie ganz nett finden, andere haben grundsätzlich etwas gegen Asiaten. Ich bin sicher der Letzte, den man als Rassisten bezeichnen könnte, aber bei den Asiaten hört es einfach auf, sagt einer. Warum?, frage ich nach. Die Antwort: Das sind mir einfach viel zu viele! Als ich in der vollen U-Bahn zum Beachvolleyballgelände fahre, überlege ich, welche Chinesen, die mit mir im Waggon stehen, zu viel sein könnten. Der Mann mit dem akkuraten Seitenscheitel? Die junge Frau mit dem „I love China“-T-Shirt? Der jugendlich wirkende Typ, der gerade mit seinem iPhone spielt? Ich weiß es nicht und bin froh, dass ich nicht zu bestimmen habe, wer zu entfernen ist aus dieser Welt.

Ich weiß, wovon ich spreche, ich habe den Geruch immer noch in der Nase, erzählt einer, nachdem er für uns alle noch ein Bier geholt hat. Es war beim Gewichtheben, und natürlich hatte eine Chinesin gewonnen. Die chinesischen Kollegen seien außer sich gewesen. Nach dem Wettbewerb sei er fast platt gedrückt worden an dem Zaun, der die Athleten von den Medienvertretern trennt. Er sagt: Und dann kommt noch so ein Arm an deinem Gesicht vorbei, und da finde ich schon, dass man sich waschen kann, wenn man aus dem Haus geht. Und weiter fast wie der andere zuvor: Ich bin ja der Letzte, der irgendetwas gegen Schlitzaugen hat, aber wenn die stinken, dann sollte man das schon sagen können. Ich überlege. Warum ist mir noch nicht aufgefallen, dass Schlitzaugen stinken. Stimmt etwas mit meiner Nase nicht?

Ich lehne mich zurück. Riecht es hier wirklich anders, frage ich mich. Ich schnuppere und schaue mich um. Am Nebentisch sitzt eine Gruppe Schlitzaugen. Stinken die? Irgendetwas riecht wirklich nicht so richtig gut hier. Mir fällt ein, dass ich gerade meine Schuhe ausgezogen habe, um meine vom schwülen Tag feucht gewordenen Füße auszulüften. Schnell ziehe ich die Schuhe wieder an. Noch einmal schaue ich mich um. Die Chinesen, die gerade noch am Nebentisch saßen, sitzen jetzt zwei Tische weiter. Ich spüre, wie mir Röte ins Gesicht steigt. Ob die jetzt glauben, dass alle Langnasen stinken?

ANDREAS RÜTTENAUER