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Archiv-Artikel

barbara dribbusch über Gerüchte Peace muss sein

Will das Kind ein „No War“-Plakat am Reihenhaus, müssen die Eltern ran

Über die Lodenbaums hatten wir uns noch lustig gemacht. Kaum war der Irakkrieg ausgebrochen, hängte Sabine Lodenbaum schon das weiße Betttuch aus dem Fenster. „Kein Blut für Öl“ stand drauf. „Wir haben das Tuch noch aus dem letzten Golfkrieg“, erklärte Sabine in resolutem Hausfrauensound, „zum Glück habe ich es nicht weggeworfen.“

Sabine galt in unserer Reihenhaussiedlung schon immer als tatkräftig, nicht jeder hat vier Kinder. Mir selbst, so dachte ich an diesem Tag heimlich, wäre das Tuch-Heraushängen ein bisschen überholt. Einfach so, von der Protestform her. Ich bin zwar gegen den Krieg. Aber ein Transparent am Haus? Ist so wichtigtuerisch, so öffentlich.

„Mama“, fragt mich meine Tochter Charlotte zwei Tage später, „wie macht man es eigentlich, dass ein Papier, das draußen liegt, nicht nass wird?“ Hm. „Du könntest es in eine Klarsichthülle stecken.“ „Gute Idee.“ Was die Kleine wieder plant. Vielleicht die Zettel für eine Schnitzeljagd?

Zwei Stunden später darf ich gucken, was die Zwölfjährige in ihrem Kinderzimmer gebastelt hat: Zwölf DIN-A-4-Bögen hat sie mit Tesafilm zu einem Transparent zusammengeklebt, NO WAR prangt darauf in bunten Lettern, in das „O“ hat sie ein Peace-Zeichen gemalt. Das Ganze steckt in einer riesigen Schutzhülle aus mehreren auseinander geschnittenen und neu zusammengepappten Klarsichtfolien. Ein Meisterwerk. Mir dämmert, dass ich einen dieser Momente erlebe, wo einem das Kind plötzlich viel erwachsener erscheint als gestern noch. „Wie du das Peace-Zeichen hingekriegt hast“, sage ich, „und diese wasserdichte Hülle. Klasse.“ Das meine ich ehrlich. „Willst du das draußen anhängen?“ „Klar“, antwortet Charlotte trocken, „sonst hätte ich es ja nicht gemacht.“ Aber wie bringt man ein selbst gebasteltes Papiertransparent an der gekalkten Wand eines Reihenhauses an?

Kurz darauf stehe ich im Vorgarten und nagele das Transparent in Augenhöhe an die Hauswand. Wenig später findet mein Mann, der gerade nach Hause gekommen ist, eine neue Lösung. „Das Ding hängt zu tief“, bemängelt Christoph, „sieht man doch gar nicht richtig.“ Er befestigt links und rechts ein Stück Schnur an dem Plakat. Minuten später lehnt er waghalsig aus dem rechten Fenster im ersten Stock, um mir ein Schnurende zum linken Fenster rüberzureichen. Schließlich hängt das Transparent korrekt in der Horizontalen. „Okay“, sagt Charlotte anerkennend, „das hält.“ Wie schön, dass man sich als Eltern nützlich machen darf.

Am Samstag darauf sitzen wir im Vorgarten in der Sonne. Die Hollywoodschaukel habe ich auf einem Schnäppchenmarkt erstanden. Zugegeben, die geblümten Polster sind etwas gewöhnungsbedürftig, aber das Ding war billig. Hollywoodschaukel, Vorgarten, Reihenhaus, Sonne. Über uns baumelt Charlottes Transparent mit dem Peace-Zeichen: „NO WAR“. Eine eigenartige Mischung. Es ist plötzlich, als schaue ich mir selber zu.

Charlotte ist mit ihren Freundinnen unterwegs zu einer Teenager-Party. Nur Eltern in ihren Mittvierzigern hocken am Samstagnachmittag zu Hause.

„Na“, sagt die Nachbarin, Frau F. „Sie haben’s ja hier gemütlich.“ Ihr Blick wandert von unserer Hollywoodschaukel zu dem Transparent. Wie jeden Nachmittag ist sie mit ihrem Dackel unterwegs. Wir sagen nichts.

Frau F. zieht den Dackel von unserer Hecke weg: „Wirst du wohl!“ Es ist ein altes Spiel zwischen Hunde- und Hausbesitzern in unserer Straße. Ist ein Hausbesitzer in Sicht, dann zerrt der Hundehalter an der Leine, um zu demonstrieren, dass er alles tut, um zu verhindern, dass der Köter ausgerechnet an dieser Hecke sein Geschäft macht. Ist kein Hausbesitzer zu sehen, ist das buchstäblich wurschtegal.

Christoph liest mir aus einem Artikel über den Häuserkampf im Zweiten Weltkrieg vor. „Straßenschluchten sind echte Panzerfallen“, zitiert Christoph. Bei der Eroberung Berlins im April 1945, so erfahre ich, wurden 800 russische Panzer zerstört. 100.000 Berliner starben. „Wie weit weg das schon ist“, sagt Christoph, „als ich nach Westberlin kam, konnte man noch die Einschusslöcher an vielen Gebäuden sehen.“ Damals demonstrierten wir. Gegen Reagan und die atomare Aufrüstung.

Nachbar A. von gegenüber fährt gerade sein Auto in die Garage. „Na“, ruft er munter herüber, „das ist ja ein Bild. Wäre doch ein tolles Foto. Auch für die Zeitung, harharhar!“ Ich lächle gequält. Ich weiß ja, dass er es gut meint. Er sucht immer nach dem Scherzwort, dem verbindenden. Manchmal erfordert es eben innere Stärke, die Dinge geschehen zu lassen. Und trotz des ganzen Drum und Dran für den Frieden zu sein.

Fragen zum Frieden?kolumne@taz.de