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Archiv-Artikel

barbara dribbusch über Gerüchte Im Outdoor-Laden, und der Sommer naht

Die Jack-Wolfskin-Industrie bietet die Antwort auf viele lebenspraktische Fragen

Mein Kletterpartner Pit hat eine klare Haltung in Modefragen. Schlaghosen und Markenlederjacken sind nichts für Menschen wie ihn, die sich dem archaischen Leben in abgelegenen Berghütten stellen und über luftigen Dolomitenfels nach oben klettern. Pit ist der ideale Kunde für die Jack-Wolfskin-Industrie. Ein Bummel durch Outdoor-Geschäfte mit ihm ist ein Erlebnis.

„Eigentlich eine gute Idee“, sagt Pit, „ich habe schon immer Schuhe gesucht, in denen ich einen Bach durchqueren könnte.“ Wir stehen in einem Camp-4-Laden, der Sommerurlaub naht, und der neue „Air River Spike“ ist ein Schuh für ein Problem, das Pit erst jetzt so richtig bewusst wird: Jeder Mensch braucht Fußbekleidung, in der man sich mal eben unter einem Wasserfall abseilen oder einen reißenden Fluss durchqueren könnte. Der „Air River Spike“ mit den „leichten, schnell trocknenden Materialien Mesh-Nylon und Kunstleder“ und der „nasshaftenden Sohle“ löst das Problem. „Denk noch mal drüber nach, ob du die wirklich brauchst“, beschwöre ich Pit. Immer die gleiche Frage, die sich in den Outdoor-Kathedralen unweigerlich stellt: Lebe ich das falsche Leben oder habe ich die falsche Kleidung?

Das fängt schon bei der Unterwäsche an. Nur unsportliche Menschen kommen mit herkömmlichen Baumwoll-T-Shirts und Unterhosen aus, glaubt Pit. „Darin bist du doch in null Komma nichts durchgeschwitzt.“ Pit trägt nur noch Mikrofaser, schnell trocknend, wärmend, atmungsaktiv und antibakteriell. Allerdings haben meine Privatforschungen ergeben, dass nach mehrtägigem Aufenthalt im Schlaflager einer Hütte die Geruchsentwicklung herkömmlicher Baumwollhemden dezenter ist als die von hochtechnologischer Plastikunterwäsche. Ich verzichte darauf, mir ein Polyamid-Unterhemd in „fortschrittlicher Schnitttechnologie mit nahtlosem Strickergebnis“ zuzulegen. 25 Euro gespart.

Wir sind jetzt bei den Jacken gelandet. Echte Kenner gucken da vor allem auf das Gewicht. Die „Mountain Range Women“-Trekkingjacke mit Hinterarm-Reißverschluss ist gut und schön, aber müssen es 740 Gramm sein? Ist nicht das „Move Jacket Women“ komfortabler mit elastischen Texapore-Stretcheinsätzen im Schulter- und Rückenbereich für maximale Bewegungsfreiheit und einer „zum Körper hin abgeschirmten Handytasche“, alles für nur 580 Gramm?

Um ehrlich zu sein, brauche ich aber eigentlich keine neue Jacke, obwohl mein alter Anorak weder über „abnehmbare Basic-Hood“ noch über einen „fast raschelfreien Materialgriff“ verfügt. Wieder viel Geld gespart.

Pit ist vor den Rucksäcken stehen geblieben. Die Forschung hat nämlich herausgefunden, dass die Regulierung des Wasserhaushalts das A und O ist beim Sport. Manche Rucksäcke verfügen jetzt über eine neue Technologie aus Schlauch und Mundstück, die für Jogger und Radfahrer das beständige Saugen an einer „Trinkblase“ ermöglichen.

„Mit Outdoor-Produkten könnte man viele praktische Probleme schnell und einfach lösen“, sinniert Pit. So pflegt er, wenn er mit Kindern im Hotel ist, nachts mit der „Petzl-Kopflampe“ zu lesen, um die Kleinen nicht zu stören. Im Sonderangebot erwarb er mal ein „faltbares Zweiersofa“, mit dem ich später dann zusammenbrach.

Nach Pits Meinung wäre auch die Obdachlosigkeit kein großes Problem, wenn man den Betroffenen bei Minusgraden nur den richtigen Schlafsack zur Verfügung stellen würde, etwa einen „Tyin Winter“ von ajungilak, laut Katalog „das richtige für die Hundeschlittentour in Skandinavien“ mit der „Komfortuntergrenze“ von minus 20 Grad. Für Frauen wäre das „Frauenmodell“ des „diamond dream“ geeignet, laut Katalog mit „zusätzlicher Daune im Fußbereich“.

Pit probiert inzwischen eine mückenstichfeste Dschungelhose an, ich überlege, ob meine Kosmetik in den Jack-Wolfskin-„Wallaby II“ passen würde. Doch bei meinem letzten Hüttenaufenthalt hatten alle Schwaben auf der Hütte genau diesen Kulturbeutel. Ich dränge lieber zum Aufbruch.

„Alaska. Hier wird nicht gelebt. Hier wird überlebt. Und dafür sind die besten Materialien gerade gut genug“, lese ich am Abend im Katalog des Rucksackherstellers Tatonka. Alaska! Für meinen Sommer steht Klettern an der Valentini-Hütte auf dem Programm. Mit dem Auto bis vors Haus, kein Schlaflager, sondern Zimmer mit Bad. Für das Abenteuer-Feeling werde ich mir noch einen kleinen Rucksack kaufen, mit Air-Mesh-Schultergurt und Hypalon-Eispickelhalter. Das muss reichen.

Fragen zur Valentini-Hütte? kolumne@taz.de