autoparadies: Erst bei Stau gibt’s autofrei
Glückliches Berlin! Auf den Straßen der Hauptstadt kommen Autofahrer immer noch so flott voran wie sonst in keiner größeren deutschen Stadt, von den Metropolen anderer Länder ganz zu schweigen. Sie brausen auf achtspurigen Verkehrsachsen mitten durchs Zentrum oder umrunden es auf bestens ausgebauten Stadtautobahnen. Und es gibt Wohngebiete, in denen die Parkplatzsuche – anders als in München oder Hamburg – nicht gleich eine ganze Stunde in Anspruch nimmt.
Kommentarvon RALPH BOLLMANN
Ginge es nach den Grünen, müsste der Verkehrssenator dieses Treiben schleunigst unterbinden. Peter Strieder, so fordern sie, soll Straßen sperren, Verkehrsachsen zurückbauen, Parkplätze verknappen. In Ansätzen tut er es sogar, doch eines ist gewiss: Würde er das Tempo forcieren, kämen die Sozialdemokraten künftig über die Wahlergebnisse der Öko-Partei nicht hinaus. Den Verkehrskollaps künstlich herbeizuführen, um die Autofahrer zum Umsteigen auf Bus und Bahn zu zwingen – das kann nicht funktionieren. In Metropolen mit hoher Autodichte, historischen Innenstädten oder engen Geschäftszentren kam der Stau von ganz alleine. Selbst notorische Autofetischisten mussten einsehen, dass es so nicht weitergehen konnte.
In Berlin wäre das undenkbar. Dafür sind nicht nur die Straßen zu breit und die verschiedenen Zentren zu weitläufig über die Stadt verteilt. Es gibt auch, gemessen an der Einwohnerzahl, schlicht zu wenig Autos. In der ärmsten deutschen Metropole können sich viele Haushalte gar kein Fahrzeug leisten. Im eingemauerten Westberlin machte ein Auto zudem wenig Sinn, und im Osten gab es bekanntlich Lieferschwierigkeiten.
In der neuen, alten Mitte gibt es erste Zeichen, dass sich das Blatt wenden könnte. Die Rückkehr zum historischen Stadtgrundriss mit seinen engen Straßenfluchten, dazu die Invasion von motorisierten Beamten und Touristen haben Berlin ein völlig neues Phänomen beschert: Rund um Brandenburger Tor und Friedrichstraße gibt es neuerdings richtige Staus. Setzt sich die Entwicklung fort, dann wird es eines Tages in Berlin auch autofreie Tage geben.
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