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Archiv-Artikel

ausstellung Von der Kunst des Fechtens und Ringens bis zur Lust am Aderlass

Wer sich heute Karate beibringen will, greift zum preiswerten Lehrvideo. Wer im Mittelalter mehr über die Kunst des Fechtens und Ringens wissen wollte, griff – so er genügend Geld hatte – auf kunstvoll per Hand geschriebene und illustrierte Lehrbücher zurück. Einen breiten Überblick über deutsche Buchkunst aus dem 13. bis 16. Jahrhundert gibt jetzt die Ausstellung „Aderlass und Seelentrost“ im Kölner Museum Schnütgen. Es ist eine Wanderausstellung mit rund 100 wertvollen Objekten, die von der Staatsbibliothek Berlin zusammengestellt wurde.

Dabei zeigt sich, dass die Interessengebiete der Lesekundigen damals wie heute im Wesentlichen dieselben sind. Die Menschen erhofften sich Hilfe in der Rechtskunde, in der Medizin, in Handwerk, Biologie, Astronomie und Astrologie, in Küche und Stall. Und natürlich für ihr (christliches) Seelenheil. Auch wollten sie Erbauliches und Deftiges lesen – und fanden es in Geschichten von Parzival, Tristan und Isolde oder im Nibelungenlied (Köln zeigt die einzige bebilderte Handschrift dieser Geschichte, die um 1440 entstand), bei Bocaccios „Decamerone“ oder der Übersetzung des „Trojanerkriegs“. Die Besucher erfahren viel über Alltag und Gedankenwelt des Mittelalters – zum Beispiel über die Lust am Aderlass. Vieles reicht bis in die Neuzeit. So ist etwa eine Abschrift des „Sachsenspiegels“ zu sehen: die erste Zusammenstellung germanischer Rechtsregeln und – immer wieder modernisiert – bis ins 20. Jahrhundert wichtigste Grundlage deutscher Rechtspflege.

Zugleich kann der Besucher den Übergang von der Handschrift zum gedruckten Buch verfolgen, durch das Wissen und deutsche Schriftsprache schneller verbreitet wurden.

Leider ist von den Einbänden der Bücher nichts zu sehen, auch sind immer nur zwei Seiten aufgeschlagen. Das geht aus konservatorischen Gründen bei der Präsentation solcher Kostbarkeiten nicht anders. Aber zum Glück gibt es moderne Technik: Zwei Bücher lassen sich virtuell am Computer durchblättern. Die Übersetzung in aktuelles Deutsch wird mitgeliefert.

JÜRGEN SCHÖN

„Aderlass und Seelentrost“: Museum Schnütgen Köln, Cäcilienstr. 29, bis 8. Mai, Dienstag bis Freitag 10-17 Uhr, Samstag und Sonntag 11-17 Uhr, Kurzführer 7 Euro, Katalog 29,80 Euro