ausgelesen: Jungfrau überm Tresen
Es ist einer dieser Abende in der „Nichte“ (Name geändert), am Rand des brummenden Ausgehviertels. Als der Mann mit der roten Kappe kommt, steigt die Stimmung am Tresen: Ah, die Mopo! Einige der nun den Blick von der Bierflasche Hebenden interessiert die Pop-Seite, in eigener Sache: Haben sie mein Konzert angekündigt? Ist unsere Plattenbesprechung drin? Aber der eine, der kleine gemeinsame Nenner sind doch die Sterne, wie sie sich dem Orakel in der – damals noch – Griegstraße offenbart haben. „Lies’mal Löwe vor!“, will einer; „erst Waage“, fordert ein anderer; „Jungfrau hat’s wieder mal am besten getroffen“, resümiert ein Dritter das Horoskop – wohlgemerkt: Das vom Tag darauf.
Damit ist es bald vorbei: In dieser Woche hat der Verlag angekündigt, die späte, die abends schon anlandende Ausgabe der Hamburger Morgenpost einzustellen. Im Juli dürften sie also aus dem Stadtbild verschwinden, die mutmaßlich knapp über Hungerlöhnen entgoltenen Vertriebsmenschen mit den Packtaschen und Hackenporsches. Gerade mal 2.000 Exemplare sollen zuletzt noch abgesetzt worden sein von dieser Nachtausgabe, und die Szene am Tresen lässt das wahrscheinlich scheinen: Zwei Exemplare bespaßen einen Abend lang die ganze Tränke.
Der Verlag spricht von Ersparnis und Neuausrichtung, will mehr das Papier (und die Hackenporsches) umgehende E-Paper-Abos losschlagen. Und, zugegeben: Auf Touchscreens starren sie auch in der „Nichte“ längst mindestens so sehr wie einst ins Grün der Bierflasche. Alexander Diehl
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen