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Archiv-Artikel

ausgehen und rumstehen Bier, Cevapcici und ein paar andere aufregende Dinge, von denen man schlecht erzählen kann

Was erzählen wir vom Wochenende, wenn wir jemanden treffen, den wir nicht so gut kennen? Wir erzählen von großen Ereignissen, dem schnell Darstellbaren, dem Effektvollen. Die Vernissage, der Kinofilm, die Party. Das weniger Sensationelle aber, das behalten wir lieber für uns. So wird auch wenig über meinen letzten Freitag erzählt werden, wir waren was trinken, Punkt.

Dabei haben wir Neukölln entdeckt, wieder einmal, und uns selbst darin. Der Abend begann früh, mittags, ich kam spät ins Büro, vor dem bereits Anja auf mich wartete, wir hatten uns lang nicht gesehen, ich freute mich sehr. Anja wollte nur kurz Hallo sagen. Aus einer Laune heraus schlug ich vor, Sekt zu trinken, zur Zigarette. Anja holte zwei Piccolos, wir tranken und verquatschten uns. Bald fragte ich, ob wir noch was trinken gehen wollten, im türkischen Laden, der Wasserpfeifen auf den Tisch stellt und auch Hefeweizen. Anja hatte Lust. Denn wir beide waren schwer verliebt, nur waren die Liebsten im Ausland. Und wie immer, wenn Menschen schwärmen, brauchen sie jemanden, der ihnen zuhört. Es wurden einige Biere, viele Zigaretten, es dämmerte bereits.

Rolf kam vorbei, er wollte ins Büro, ich gab ihm den Schlüssel. Dann kam zufällig Martina des Wegs, mit der ich für den Abend verabredet war. Neue Biere wurden geordert. Ich ging ins Büro, weil ich wissen wollte, was Rolf macht, er hatte auf der Treppe Ilka getroffen, sie schwatzen und rauchten. Ich überredete beide mitzukommen.

Anja kam uns bereits entgegen, nun waren wir im Restaurant Jasmina verabredet. Ich war aufgekratzt, Rolf und Ilka waren angesteckt. Wir fuhren durch die dunkle Hasenheide und an allen Ecken zischelte man uns zu. Der Fahrtwind machte mich nüchtern. Wir aßen Cevapcici, Anja bestellte Slibowitz und verursachte eine Krise. Der Wirt, ein gepflegter Mann, hatte keinen Slibowitz mehr, eine Hochzeit, fünf Liter Slibowitz, acht Flaschen Rakija, zwei Fässer Bier, alles weg, neue Lieferung erst morgen.

Wir sahen uns um, ein typisch jugoslawisches Restaurant (bosnisch-serbisch wurden wir belehrt), die typische Musik, manchmal mit einem Diskobeat unterlegt, alles sehr volkstümlich, doch zwanglos, niemand musste mitschunkeln. Kurz, es war wunderschön. Und wieder Bier, Bier, Bier, Anja lallte eine halbe Stunde lang, dann war sie wiederhergestellt. Ich hingegen vergaß vor lauter Reden, betrunken zu sein. Der Wirt, der sich schämte, dass er keinen Slibowitz mehr hatte, brachte Wodka, auch gut, wir stießen auf ihn an. Schnell wurde man vertraut miteinander, der Wirt hasste den jugoslawischen Bürgerkrieg. „Tito, das war ein guter Mann.“

Ein Freund von ihm, ein Autor, liest manchmal hier, er wird nicht übersetzt und lebt vom Taxifahren. Der Wirt holte die Bücher. „Ich habe sie nicht gelesen“, sagt der Wirt, „keine Zeit.“ Seine Frau, die aus der Küche kam, hatte sie selbstredend gelesen. „Gute Bücher“, versicherte sie. Wir waren begeistert, doch nicht mehr so standfest.

Wir zogen weiter ins Tasmania-Eck, dort erlebten wir eine souveräne Wirtin, die mit unsereinem gut zurecht kam, nur die Tischdecke machte ihr Kummer. Sie zog sie immer wieder zurecht. „Wir Deutschen sind halt so ordentlich“, sagte sie entschuldigend zu uns, ebenfalls Deutsche, doch nicht mehr ordentlich, weil enthemmt und entrückt. Anja konnte dann nicht mehr laufen, sie hat bei Martina übernachtet, ich habe beiden zum Einschlafen noch was vorgelesen, obschon ich mich nicht mehr richtig artikulieren konnte. Die Geste zählte und danach schlief ich wie ein Kind.

Doch, wie gesagt, all das kann man ja gar nicht erzählen. Am Samstag war ich auf einem Konzert. Das war ganz nett.

JÖRG SUNDERMEIER