ausgehen und rumstehen : Wir frisch das Licht am Sonntag ausschaut – eine Rückkehr in den Tresor
In den 90er-Jahren bin ich oft im Tresor gewesen. Die Clublegende in der Leipziger Straße war sozusagen das Andere gewesen, und weil man sich davon bei einer Abschiedsparty 2005 verabschiedet hatte, war es irgendwie komisch, als der legendäre Technoclub im April dieses Jahr wieder neu eröffnet wurde an einem neuen Ort. Mit B. wartete ich bis halb drei vor dem neuen Tresor im riesigen Heizkraftwerk Mitte, und wir sind nicht reingekommen, weil alles so total überfüllt war.
B. erzählte dabei, wie es bei der Eröffnung des alten Tresors gewesen war, als alle noch so family-, love-, peace- & unitymäßig drauf gewesen waren. Ich war dann am Vormittag noch einmal hingegangen, hatte ein bisschen getanzt und eine Begrüßungs-Cola getrunken. Die Musik schien die Gleiche wie in den 90ern. Die Leute auch irgendwie. Nur die Räume waren eben anders. Nicht so, dass es einem kulissenhaft vorgekommen wäre, aber doch seltsam, was sicher auch normal ist, wenn man komplett nüchtern am Vormittag auf eine Techno-Party kommt.
Danach hatte ich nur gehört, dass alles prima wäre. Es klang lustig, wenn manche sagten, sie würden „ins“ Tresor gehen.
Der Freitag lief dann so: B., mit der ich hingehen wollte, war im Urlaub, S. konnte auch nicht, schlug mir aber vor, zusammen den „Simpsons“-Film zu gucken. Wir verpassten uns irgendwie, und ich saß dann allein im Kino. Und später neben M. im Club 39.
M. fand, es sei eine gute Idee, in den Tresor zu gehen, als ich ihm aber sagte, ich müsse zuvor noch nach Hause, um andere Sachen anzuziehen, war ihm das zu viel an Unterbrechung, und jeder ging dann seiner Wege.
Es war zwei, als ich in den Tresor kam. Monika Kruse hatte Geburtstag und sollte auflegen. Alles war recht entspannt. Teils auch wie im Urlaub, weil so viele junge Urlauber ja auch da waren. Urlauber verbessern durch Erlebnishunger ja oft die Atmosphäre, wenn sie nicht überhandnehmen.
Anfangs schien alles sehr laut, später kam mir die Musik eingängiger, optimistischer vor, als ich es von früher in Erinnerung hatte. Teils war es wie auf einem schönen Sommer-Open-Air. Der Blick von einer Art Balkon am Rande des „Batterieraums“ (dem Nachfolger des „Globus“) in die noch unbebauten Weiten der riesigen Industriekathedrale ist tatsächlich so fantastisch, wie es der Tresor-Mitbetreiber Dimitri Hegemann erzählt hatte.
Der neue Tresor ist kein Remake, sondern zitiert den alten eher. Teile des alten Tresors waren ja ausgebaut und hier, im Keller des Heizkraftwerks Mitte, wieder eingebaut worden. Im Nebel und einer recht heftigen Lightshow war es schwer zu bestimmen, welche Elemente von früher und welche neu waren. In jedem Fall hatte man mehr Platz; das Klaustrophobische, das der alte Tresor manchmal hatte, war weg. Auch gibt es viel mehr Orte, an denen man ausruhen kann.
Am Samstag war es dann voller. In der Schlange diskutierten junge Männer über Leute, die nicht die echten Tresor-T-Shirts trugen, sondern nachgemachte, die auf eBay verkauft würden. Im „Batterieraum“ legte Blake Baxter auf. Ich hatte den Detroiter DJ x-mal und zuletzt gesehen, als der alte Tresor zugemacht hatte. Damals war’s ein Brett, wie man so sagte, diesmal eher moderat mit viel Soul. Zwei Stunden getanzt und dabei alles Mögliche überlegt. Die Stimmung war prima; das Publikum gemischter, als es früher gewesen war.
An einer Wand huschten Bilder und Gebrauchslyrik vorbei. U. a.: „Wenn Konfitüren träumen“, oder das Motto der endlosen Party, mit der der alte Tresor geschlossen hatte: „It’s not over“. Wie früher wollte ich dann eigentlich gehen, nur mal kurz noch gucken, wie’s grad im Keller ist – es war toll –, und so blieb ich dann doch noch bis sieben und war wieder überrascht, wie frisch das Licht am Sonntagmorgen doch ausschaut.
DETLEF KUHLBRODT