ausbürgerung : Doppelpass ist nicht unanständig
Wenn die Schätzungen der Bundesregierungen stimmen, verlieren zehntausende von Deutschtürken und -Türkinnen ihre deutsche Staatsbürgerschaft – ohne dass durch Deutschland ein großer Aufschrei geht. Warum auch: Mit Wohlwollen sollen die Betroffenen, die sich freiwillig melden, wieder eingebürgert werden, sagt der Landesinnenminister. Bei genauerer Betrachtung ein Hohn: Zurückgeworfen auf den Status der befristeten Aufenthaltserlaubnis, können sie sich glücklich schätzen, wenn sie nach ein paar Jahren wieder Deutsche werden dürfen. Wenn es nach den Politikern geht, sollen sie dankbar sein, wenn sie trotz Arbeitslosigkeit eine erneute Chance auf den deutschen Pass haben.
KOMMENTAR VON NATALIE WIESMANN
Abgesehen davon, dass viele zu Unrecht bestraft werden, weil sie vor dem offiziellen Verbot der doppelten Staatsbürgerschaft den türkischen Pass beantragt haben und ihn erst nach 2000 erhalten haben – auch diejenigen, die nach 2000 heimlich die türkische Staatsbürgerschaft beantragt haben, sind keine Verbrecher. Sie haben sich nur heimlich das geholt, was anderen Gruppen in Deutschland schon lange zugestanden wird – zwei Pässe.
Ständig wird den Türken mangelnder Integrationswillen unterstellt. Doch woher soll diese eigentlich kommen? Die CDU-Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft Anfang der 1990er Jahre, die Anti-Islam-Debatte nach dem Mord an Theo von Gogh sowie die neuesten Angriffe von CDU, FDP und Teilen der SPD gegen das Antidiskriminierungsgesetz – ständig müssen vor allem die türkischen Migranten um ihren Status in der Gesellschaft bangen.
Dass zwei Pässe nicht zu illoyalem Verhalten führen müssen, zeigen zehntausende von deutschen Mehrstaatlern – wie Kinder aus binationalen Ehen, Aussiedler oder EU-Staatler mit zwei Staatsangehörigkeiten. Statt massenhaft auszubürgern wäre es an der Zeit, der Bevölkerung türkischer Herkunft einen Schritt entgegenzugehen.