auf der allee gekauft 2:
Eine Schallplatte mit Wiener Liedern
„Heut komm’n d’Engerln auf Urlaub nach Wien“. Das Lied darf natürlich nicht fehlen auf einer Platte mit dem Titel „Wien bleibt Wien“. Der Herr im blauen Kittel hinter der Ladentheke freut sich, wenn sich jemand über die Scheibe freut. 1 Euro will er dafür haben. Es ist ja auch kein Plattenladen, den er da betreibt. Es sieht eher so aus, als wolle er loswerden, was er nicht mehr braucht. Seine alten Schlagerplatten zum Beispiel. Wer sich daran erinnern möchte, wie der ZDF-Moderator Dieter-Thomas Heck in seinen besten Jahren ausgesehen hat, kann sich die Scheibe „Superhitparade“ mit den Hits des Jahres 1983 holen. Kostet auch 1 Euro. „Major Tom“ ist da drauf und „Karl der Käfer“. Alte Bücher gibt es auch. „Das Buch Otto“ als Taschenbuch zum Beispiel. Oder „Das zweite Buch Otto“. Was es kaum noch gibt, sind Dinge, die es normalerweise in einem Elektro-Fachgeschäft gibt. Das war der Laden nämlich mal. Steht auch noch drüber. Geht nicht mehr. Vorbei. Das Internet. Das meint der Inhaber. Er gehe auch nicht mehr in Wohnungen, um irgendetwas zu installieren. Zu alt sei er. 65. Bald hört er eh auf. Dann verkauft er sein Geschäft. Das soll sich so richtig lohnen. Die Araber, sagt er, würden schon Schlange stehen. Das sei seine Lebensversicherung. Vielleicht macht er dann noch ein bisschen Schlüsseldienst von zu Hause aus. Das ist die Dienstleistung, die noch am besten läuft in dem Laden. Er kopiert Schlüssel. 6,50 Euro kostet das, wenn es ein einfacher Rohling ist. Aber auch das macht er nicht mehr lange. Schade eigentlich. Auch für die Mitglieder der „Kunstgruppe Gottlieb“. Die haben drei Röhrenfernseher ins ansonsten leere Schaufenster des Ladens gestellt. Darin läuft ihr Filmprojekt „Der Bericht einer Reise“ aus dem Jahr 2010 in Dauerschleife. Den kenn ich doch, mag denken, wer sich das ansieht. Protagonist des Films ist Kostas Papanastasiou, der als Wirt Sarikakis in der TV-Serie „Lindenstraße“ eine wahre Berühmtheit gewesen ist. Er ist 2021 gestorben. 2020 wurde die letzte Folge der „Lindenstraße“ ausgestrahlt. Auch das ist also vorbei. (arue)
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen