arabiata – oder: warnungen vor jordanien! von BJÖRN BLASCHKE:
Seit kurzem bin ich einer von gut fünf Millionen Einwohnern des Königreichs Jordanien. Da ich aber weder Jordanier noch Jordanière wurde, bin ich kein Untertan des Königs. Nein. Aber ich kann jetzt sagen: Ich wohne in einem Land, das von einem König regiert wird. Das finde ich schön. Wegen des Neidfaktors. So viele Deutsche wünschen sich schließlich einen Monarchen. Und ich kann jetzt sagen: Ich bin Deutscher mit König.
Genau genommen, bin ich nicht nur deutscher Neubürger Jordaniens mit König. Ich bin Einwohner der königlichen Landeshauptstadt Amman. Ich bin jetzt also einer von etwa zwei Millionen Ammanern. Oder heißt es Ammani? Oder Ammänner? Ich weiß es nicht. Niemand konnte mir diese Frage bisher beantworten.
Dafür wurden mir vor meinem Abflug nach Amman einige Tipps mit auf die Flugroute gegeben: Benimmregeln für Jordanien. Eine Kollegin beispielsweise legte mir haarklein auseinander, dass ich in Jordanien nicht nach gut bayerischer Sitte „Finger hakeln“ solle. Zumindest nicht mit Jordaniern. Ihr Exmann sei ein in Marokko geborener, aber in Bayern sozialisierter und daher leidenschaftlicher Fingerhakler gewesen. Dann aber sei er nach Jordanien gereist und wollte in gut bayerischer Manier seiner Passion frönen. Dabei sei er leider an den falschen Mann geraten. Oder war der Ammann falsch bei ihm gelandet? Jedenfalls sei der Zeigefinger des Jordaniers nach der bajuwarischen Hakelei gebrochenen gewesen. Krrrrckck – durch! Der marokkanische Bayer der Kollegin musste sich anschließend vor Gericht verantworten – wegen Körperverletzung.
Ohnehin gehen Jordanier und Jordanière offenbar schnell mit ihren Mitmenschen ins Gericht. Eine andere Kollegin ermahnte mich, nur im Stillen zu fluchen. Im Straßenverkehr beispielsweise lediglich bei geschlossenem Autofenster. In Jordanien sei der Umgangton ein ganz anderer als im Libanon. Dort kursierten die schlimmsten Schimpfwörter, und es gehöre geradezu zum guten Ton, bei einer Begrüßung auch eine ordentliche Beleidigung auszupacken. Auf der Schimpfwortbeliebtheitsskala rangiere ganz oben „Du Auswurf deiner Mutter“ oder „Sohn eines Hundes“. In Jordanien aber, so besagte Kollegin, bekomme ein derart freundlich grüßender Zeitgenosse sofort eine Beleidigungsklage an den … na, was auch immer.
Als ich mich auf Wohnungssuche begab, gab mir übrigens niemand einen guten Rat. Daher fand ich recht schnell eine billige Wohnung in zentraler Lage. Erst im Nachhinein habe ich verstanden, warum sie so günstig zu mieten war. Die genaue postalische Adresse trägt den Zusatz: „Next to the Palestinian Embassy“. Seither male ich mir manchmal aus, dass ich eines Morgens aufwache und feststelle, wie „nahe der palästinensischen Botschaft“ ich wohne. Dann hoffe ich meistens, dass die Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und Israelis sich demnächst auf Fingerhakeleien beschränken. Oder auf Flüche.
Der Autor ist Nahost-Korrespondent der ARD.
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