apocalypse now: Rudi völler Freude
Die Nachricht zerriss den gemütlichen Abend im trauten Heim. Rudi, der Republik oberster Teamchef, hatte es sich gerade auf dem Sofa bequem gemacht, als in „ran“ die Botschaft verlesen wurde. Ein Blitz durchzuckte ihn – und sosehr er sich dagegen auch wehrte, vor diesem unbändigen Gefühl der Freude, das Körper samt Geist durchflutete, gab es kein Entrinnen. Rudi sprang auf, eilte hinüber zur samtgrünen Zimmerpalme, umkurvte sie ein paarmal wie einst die Eckfahne nach dem Torschuss und stieß dabei unablässig wilde Jubelschreie aus. Dann besann sich Rudi, dass er ein ehrenhafter Sportsmann ist und es sich für einen wie ihn nicht geziemt, sich über das Unglück anderer ein Loch in den Bauch zu freuen. Deshalb beschloss Rudi, sich ganz genau aufzuschreiben, was er anderntags der Presse sagen würde: wie tragisch es sei, dass sich Andrej Schewtschenko, der Ukraine bester Stürmer, am Sonntag das Nasenbein gebrochen habe, und nun zumindest fraglich sei, ob er beim WM-Qualifikationsspiel übernächsten Samstag Tore schießen könne gegen Rudis geliebtes Vaterland. Dabei huschte wieder ein zufriedenes Lächeln über Rudis Gesicht.
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