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Archiv-Artikel

anschläge im irak Terror pur

Wie viel Terror hält ein Land aus, bis es endgültig in sich zusammenbricht? Nach Jahrzehnten von Krieg und Massenmord hat die Bevölkerung im Irak zwar eine hohe Leidensfähigkeit entwickelt. Doch der derzeit herrschende Krieg sprengt auch im Zweistromland alle Grenzen. Konnte man die Kämpfer, die in den letzten Monaten gegen die Amerikaner ins Feld zogen, mit einigen Verrenkungen noch als Widerstandskämpfer betrachten, so ist es damit nun endgültig vorbei. Was sich derzeit im Irak abspielt, ist Terror pur.

KOMMENTARVON INGA ROGG

Vor allem Zivilisten waren Opfer der Bombenanschläge der letzten Tage. Diese sind gegen die Interimsregierung gerichtet, die damit schon vor der Machtübernahme so weit wie möglich geschwächt werden soll.

Der designierte Premierminister Ajad Allawi hat auf diese Strategie mit der Ankündigung von harten Maßnahmen gegen die Gewalttäter reagiert. Es ist davon die Rede, in bestimmten Regionen des Landes den Notstand auszurufen, von Präventivschlägen, von der Wiedereinführung der Todesstrafe. Dass Allawi damit gleich zu Beginn zum letzten Mittel jeder Regierung greift, stört die meisten Iraker nicht. Sie wollen Sicherheit, und das mittlerweile um fast jeden Preis. Hier liegt allerdings die Krux. Wenn Allawis Regierung nicht schnell Sicherheit schafft, wird sie in den Augen vieler Iraker schon bald so diskreditiert sein, wie die Amerikaner es schon sind.

Damit befindet sich die irakische Regierung in einem Dilemma: Sie muss auf der einen Seite Unabhängigkeit von den Amerikanern demonstrieren – aufgrund des katastrophalen Zustands der Sicherheitskräfte ist sie aber auf deren Hilfe angewiesen. Mit der Zusammenarbeit liefert sie jenen finsteren Kämpfern aus dem Netzwerk des Terroristen Abu Mussab Sarkawi sowie den Mörderbanden von Saddams Fedajin, Geheimdienstlern und Elitekämpfern immer neue Munition.

Nur die Sicherheit wiederherzustellen wird für Iraks Regierung allerdings nicht reichen. Will sie den Kampf um die Köpfe und Herzen gewinnen, muss sie vor allem den Wiederaufbau voranbringen. Viel Zeit bleibt ihr dazu nicht. Die Geduld der Bevölkerung ist ebenso aufgebraucht wie der Vertrauensvorschuss für die irakische Regierung. Und man muss wahrlich kein Hellseher sein, um vorauszusehen, dass die Terroristen und Mörder die Gewalt im bevorstehenden US-Wahlkampf noch steigern werden.