angeschaut : Das Licht der 100 Sonnen
Sie leuchten wie das Nordlicht. Wie fliegende Untertassen. Wie Feuerquallen. Wie Lichtblitze in Wolkengebirgen. Oder weniger dramatisch: Strand, Palmen, ein orangeroter Himmel – Fototapete „Südseetraum“? Doch was hier leuchtet, ist nicht die Sonne, sondern die Explosion einer Atombombe – eine von hundert künstlichen, tödlichen Sonnen in der Ausstellung „100 Suns“.
Von 1945 bis 1962 führten die USA in Nevada und auf den Marshallinseln 216 oberirdische Atomtests durch. Von 100 hat der in San Francisco lebende Künstler Michael Light historische Fotografien aus Militärarchiven zusammengetragen und – unretuschiert – als digitale Pigment-Drucke neu verlegt, zunächst als Bildband, jetzt erstmals in Europa als Ausstellungsinstallation.
Die zum Teil aus großer Höhe durch Farbfilter aufgenommenen Bilder könnten alle als preisgekrönte Fotokunstwerke durchgehen – so intensiv strahlen die Feuerbälle inmitten bizarrer Staubformationen. Die Aufnahmen stehen für sich: Kleine Schilder nennen nur die oft putzigen Namen der Sprengkörper ( „Priscilla“, „Zucchini“, „Magnolia“). Mehr Information finden sich in einem Hefter. Etwa dass die Detonation der 15-Megatonnen-Bombe „Bravo“ – ein poppiger Bildtraum in Rosa – in Wirklichkeit ein pinkes Armageddon war, das das Bikini-Atoll für immer unbewohnbar machte. Oder dass der radioaktive Fallout von „Harry“ auf die Bewohner von St. George/Utah niederging – die US-Regierung führte Krieg gegen das eigene Volk.
Und gegen die eigene Armee: Die an den Tests beteiligten Soldaten waren die ersten Strahlenopfer. In der Ausstellung hängen Bilder von ihnen neben den ästhetischen Explosionen: junge Männer mit Schutzbrillen wie im 3D-Kino, naiv staunend vor dem Schauspiel, das sich ihnen bietet.
Die Ausstellung verströmt keine laute Betroffenheit. Doch sie lässt den Atem stocken, so groß ist die Spannung zwischen dem Schönen, das man sieht, und dem Schrecken, von dem man weiß. Zynisch sind die schönen Bilder und pervers wie die Atomversuche selbst. Und mehr als sehenswert in Zeiten, da US-Präsident Bush neue Tests plant – unterirdische, die man nicht fotografieren kann. Holger Möhlmann
„Michael Light: 100 Suns“: Galerie Frehrking Wiesehöfer, Habsburgerring 28 in Köln, bis 6. März, Di, Mi und Fr von 14-19 Uhr, Samstags von 11-16 Uhr