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Archiv-Artikel

american pie Respektiert, aber nicht geliebt: die San Antonio Spurs

Magische Reise zum NBA-Titel

Die erste Meisterschaft der San Antonio Spurs hatte 1999 ein ärgerliches Sternchen, denn gewonnen wurde sie in einer wegen des NBA-Arbeitskampfes stark verkürzten Spielzeit. Diesmal hat der Titel, den San Antonio am Sonntag gegen die New Jersey Nets perfekt machte, keinen Makel. Begeisterung bei den Basketball-Fans rief er aber nicht hervor. Im Gegenteil. Die TV-Einschaltquoten der Finalserie waren die niedrigsten seit 1981, als die Finalspiele teilweise zeitversetzt zu später Stunde gezeigt wurden.

San Antonios Malik Rose sprach in Hinblick auf die unattraktive, defensive Spielweise, beider Teams von „Basketball wie vor zwanzig Jahren“. Ein wenig ungerecht, denn 1983 schaffte Philadelphia mit einem begeisternden Julius „Dr. J“ Erving bei allen vier Siegen gegen die Lakers über 100 Punkte, und es war auch das Jahr, das mit dem 186:184 von Denver gegen Detroit das höchste NBA-Ergebnis aller Zeiten brachte. Coach Gregg Popovich lag daher zeitmäßig korrekter, als er ausrief: „Beide Team spielen Offensivbasketball wie vor fünfzehn Jahren.“ Das war die Ära der Bad Boys von den Detroit Pistons, denen Zerstörung über alles ging.

Schon bei der Serie gegen Dallas hatte ein Kommentator angesichts der vielen Ballverluste und verpassten offenen Würfe der Spurs gehöhnt, dass man sich vorkomme wie in der Eastern Conference. Tatsächlich bot das Finale dann lupenreinen Ost-Basketball, der seit jeher als langsam, risikoarm und defensiv gilt. Die Showteams kamen stets aus dem Westen, so wie jetzt die Offensiv-Powerhäuser von den Lakers, Sacramento Kings, Dallas Mavericks oder die aufstrebenden Mannschaften aus Houston und Memphis.

Dass San Antonio, keinesfalls als Favorit gestartet, sich durchsetzen konnte, lag vor allem an drei Dingen. Die Mischung aus Veteranen wie David Robinson, 38, Kevin Willis, 40, Steve Kerr, 37, Steve Smith, 34, Bruce Bowen, 32, und jungen Talenten wie Tony Parker, 21, Manú Ginóbili, 25, Speedy Claxton, 25, und Stephen Jackson, 25, funktionierte erstaunlich gut. „Unsere jungen Typen haben sich viel schneller gefunden, als wir uns das vorstellten“, freute sich Popovich über eine „magische Reise“. Der zweite Faktor war Tim Duncan, 27, ein Spieler, „der einfach alles richtig macht“, wie Teamkollege David Robinson findet. In den Play-offs sammelte er bei den Spurs die meisten Punkte, Rebounds, Assists und Blocks, eine Leistung, die vor ihm kein Michael Jordan, Larry Bird oder Magic Johnson je geschafft hatte. „Das Einzige, was du tun kannst, ist, seine Schwächen zu attackieren“, sagt Nets-Spielmacher Jason Kidd, „das Dumme ist nur, niemand findet welche.“

Ein weiterer günstiger Faktor war der Verlauf der Play-offs im Westen. Nach den unberechenbaren Phoenix Suns bekamen die Spurs mit den Lakers und den Mavericks genau die Teams, die ihnen am besten liegen, zudem verletzten sich jeweils gegnerische Schlüsselspieler wie Kobe Bryant oder Dirk Nowitzki. Dallas wiederum hatte Portland und Sacramento aus dem Weg geräumt, die für San Antonio wegen ihrer Vielseitigkeit und ihrer Stärke unter dem Korb unangenehmer gewesen wären. Auch die Mavs profitierten im Übrigen von Verletzungen: Scottie Pippen und Derek Anderson bei Portland, Chris Webber bei Sacramento. Coach Don Nelson gab das unumwunden zu: „Wir hätten noch eine Verletzung gebraucht, die von Duncan. Stattdessen bekamen wir sie mit Nowitzki.“ Einig sind sich ohnehin die meisten Beobachter, dass ohne den Ausfall Webbers der NBA-Champion Sacramento hieße.

Ein heiße Sache verspricht die nächste Saison zu werden. Shaquille O’Neal hat sich nach der Lakers-Schmach gegen die Spurs einen Ex-Marine als Privattrainer engagiert, Dallas buhlt um Karl Malone, und die San Antonio Spurs verlieren zwar Robinson, haben aber Geld wie Heu. Die Frage ist, ob sie Parker, der ihnen manches Spiel gewann, am Schluss aber schwächelte, durch den Einkauf von Kidd brüskieren oder sich ein paar große Leute wie Elton Brand oder Jermaine O’Neal holen. Klar ist nur: Das nächste Mal sind sie wirklich der Favorit. MATTI LIESKE