american pie: Nationale Mission
Die Eishockeyprofis der Edmonton Oilers wollen endlich den Stanley Cup nach Kanada holen
Für das günstigste Ticket im Rogers Place in Edmonton mussten die Fans der Oilers tief in die Tasche greifen. Um am Mittwochabend beim ersten Finalspiel um den Stanley Cup dabei zu sein, mussten die kanadischen Eishockeyanhänger umgerechnet etwa 500 Euro zahlen. Und die Preise in der Best-of-seven-Serie werden von Spiel zu Spiel steigen. Besonders astronomisch dann, wenn sich der so lang ersehnte große Triumph abzeichnen sollte.
Denn letztmals gewann ein kanadisches Team die begehrteste Eishockeytrophäe der Welt, als Bill Clinton in den USA gerade seine Präsidentschaft angetreten hatte und noch niemand von Kanada als 51. US-Bundesstaat zu fantasieren wagte. Die Montreal Canadiens schlugen damals im Jahr 1993 die Los Angeles Kings. Seither reckten nur US-Teams den klobigen, gut 15 Kilogramm schweren Pott in die Höhe. Beim nun anstehenden Finalduell zwischen den Edmonton Oilers und den Florida Panthers geht es aus kanadischer Fanperspektive also mehr denn je um eine nationale kanadische Mission.
Das ist allerdings nur die übergeordnete Perspektive. Jede Menge Druck lastet auf den Edmonton Oilers schon deshalb, weil man genau diese Chance auf die spektakulärst denkbare Weise bereits im vergangenen Jahr gegen denselben Gegner verspielt hat. Nach drei Niederlagen schien die Finalserie frustrierend schnell gelaufen zu sein, doch die Oilers siegten daraufhin ebenfalls dreimal in Serie. Eine Aufholjagd, die es so seit 1945 nicht mehr gegeben hatte. Nur die Krönung blieb aus, im entscheidenden siebten Spiel musste man sich mit 1:2 geschlagen geben.
Die beiden Ausnahmespieler der Oilers, der Deutsche Leon Draisaitl und Connor McDavid, warten seither weiterhin auf die Veredelung ihrer so besonderen Karrieren. Erst mit dem Gewinn des Stanley Cups dürfen sie sich wirklich zu den ganz Großen zählen. Von Vorteil dürfte sein, dass der Druck auf beiden nicht mehr so immens lastet wie in der vergangenen Saison. Die Oilers treten diese Spielzeit deutlich variabler auf. Auch auf die dritte und vierte Reihe ist Verlass. In den Playoffs hatten die Oilers bislang 19 verschiedene Torschützen. Die Scorerwertung der bisherigen Playoffs führen aber dennoch McDavid (26) und Draisaitl (25) an.
Aus Sicht des gegnerischen Trainers Paul Maurice haben die Oilers zudem ihr Defensivspiel seit vergangenem Jahr weiterentwickelt. Wobei er zugleich auf die Fortschritte der Panthers im offensiven Bereich hinwies. „Also sind beide Mannschaften besser geworden.“
Es deutet sich wieder ein Duell an, in dem kleinste Details den Ausschlag geben werden. Im Unterschied zum letztjährigen epischen Duell liegt dieses Mal der Heimvorteil bei den Oilers. Sollte die Serie über die maximale Dauer ausgespielt werden, würde auch die siebte entscheidende Partie in Edmonton ausgetragen werden. Zu viel Gewicht sollte diesem Umstand jedoch nicht beigemessen werden. Denn die Auswärtsbilanz der Panthers in den Playoffs (7:2) hat durchaus furchteinflößenden Charakter. Sowieso gilt ihre Spielweise als äußerst robust.
In Edmonton konzentriert man sich verständlicherweise auf all das, was in den nächsten Wochen von Vorteil sein könnte. Draisaitl gibt zu bedenken: „Wir sind etwas reifer, wissen, wie man sich in solchen Situationen verhält, und können so ausgeglichen bleiben, wie alle sagen.“ Zudem verweist er auf die größere mentale Frische, weil sein Team anders als im Vorjahr auf dem Weg ins Finale die Duelle vorzeitig für sich entscheiden konnte. Und auch sein Trainer Kris Knoblauch betont die Unterschiede zum verlorenen Finale 2024: „Wir haben eine andere Stimmung. Letztes Jahr wussten wir nicht, was uns erwartet. Die größte Veränderung ist, dass wir schon einmal hier waren. Wir wissen, was wir zu erwarten haben.“Johannes Kopp
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen