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american pieHygienisches Hockey

Zuschauer sind im US-Sport teilweise zugelassen. Es zeigt sich ein starkes Nord-Süd-Gefälle, und viele Elite-Unis wie Harvard sind ganz streng

Als wäre dieser Virus noch nicht genug, spielt nun auch noch das Wetter verrückt. Nein, wir meinen nicht die Schneemassen in Texas. Umgekehrt: Zu viel Sonne war schuld, dass eine schwierige Saison für die NHL noch schwerer wurde. Nicht nur haben die Eishockey-Cracks damit zu kämpfen, dass Spiele wegen infizierter Spieler abgesagt werden und nur wenige Klubs vor aus Hygie­ne­gründen ausgedünnten Zuschauerreihen spielen dürfen. Jetzt wurde auch noch das große Show-Event der Liga von Tauwetter torpediert.

Ausgerechnet, als das Spiel zwischen Colorado und Las Vegas am Ufer des Lake Tahoe vor atemberaubender Naturkulisse angepfiffen werden sollte, brannte die Sonne auf die eigens errichtete Eisfläche. Das Schlittschuhlaufen auf dem immer schlechter werdenden Eis wurde zu gefährlich, das Spiel nach dem ersten Drittel abgebrochen – und acht Stunden später erst fortgesetzt. Der übertragende Sender NBC verbannte die Fortsetzung vom landesweiten Free-TV in seinen Pay-TV-Spartensender. Das war ein PR-Desaster für die NHL, die gehofft hatte, mehr Fernsehzuschauer für den Sport begeistern zu können, hatte doch der Spielbetrieb schon verspätet begonnen und die Saison verkürzt werden müssen. Aber selbst, ob diese Rumpfsaison durchgezogen werden kann, ist unsicher: Schon im ersten Monat mussten über 100 Profis in Quarantäne und 35 Spiele verlegt werden. Niemand weiß, ob sie alle nachgeholt und die Playoffs wie geplant beginnen werden.

Das größte Problem ist aber natürlich, dass den Mannschaften die Einnahmen aus den Eintrittsgeldern verloren gehen. Nur 9 von insgesamt 31 NHL-Teams dürfen Fans in die Halle lassen. Dabei ist ein deutliches Nord-Süd-Gefälle zu beobachten. Während die kanadischen Klubs ausnahmslos vor völlig leeren Rängen antreten müssen, dürfen in Florida, Texas und Arizona bis zu einem Viertel der Zuschauerkapazität ausgeschöpft werden. Als zehnter Klub freuen sich nun die Columbus Blue Jackets, dass sie eben von der Gesundheitsbehörde von Ohio die Erlaubnis bekommen haben, bald wenigstens 10 Prozent der Sitzplätze in ihrer Arena verkaufen zu dürfen – exakt 1.953 Fans dürfen sich ab dem 2. März großzügig verteilen und sogar ein Bier kaufen, allerdings nur kontaktlos mit Kreditkarte.

Etwas besser – sowohl für die Finanzen der Sportunterhaltungsbetriebe als auch die Verbreitungsmöglichkeiten des Virus – sieht es in der NBA aus. Mittlerweile dürfen 14 von 30 Klubs ein paar Tausend Fans in ihre riesigen Arenen lassen. Auch hier sind die südlicher gelegenen Staaten entgegenkommender als die im Norden, aber es gibt Ausnahmen: Seit gestern, so hat es der Gouverneur des Staates New York genehmigt, dürfen sowohl die Basketball-Teams, also die Knicks und die Brooklyn Nets, als auch die Eishockey-Klubs Rangers und Islanders wieder ihre Tore öffnen für überschaubare Zuschauermengen.

Unübersichtlich dagegen bleibt es landesweit, wo wie viele Zuschauer zu welcher Zeit in welches Stadion dürfen. Denn auch unter dem neuen US-Präsidenten fehlt immer noch eine kohärente Anti-Covid-19-Strategie, die Richtlinienkompetenz liegt bei den Bundesstaaten, die sogar noch autarker sind als unsere Bundesländer, aber ähnlich wechselhaft in ihren Einschätzungen. Vor allem in den Trump-Hochburgen Florida und Texas haben Coronaskeptiker das Sagen, entsprechend lax sind die Vorschriften. Deshalb durften Anfang Februar 25.000 Zuschauer zur Superbowl in Tampa ins Stadion, und das Autorennen Daytona 500 sahen am 14. Februar sogar 30.000 echte Menschen. Die Nascar-Rennserie ist traditionell konservativ, die Fans schwenkten bis vor Kurzem gern die alte Südstaaten-Flagge, und Chip Wile, Chef der Rennstrecke in Daytona Beach, war denn auch stolz auf sein potenzielles Superspreader-Event: „Das ist das größte Sportereignis in den USA, seit Covid zugeschlagen hat“, sagte er.

Etwas vernunftbegabter geht es weiter nördlich zu. Die Ivy League, in der die Elite-Universitäten aus dem Nordosten der USA wie Harvard, Yale oder Princeton organisiert sind, hat sich – womöglich ja dem eigenen Ruf als Hort der Rationalität verpflichtet – kürzlich dazu durchgerungen, alle Sport-Veranstaltungen der eigenen Teams bis zum Sommer abzusagen. „Wir wissen, das ist eine große Enttäuschung für viele“, teilten die Präsidenten der acht Universitäten in einer gemeinsamen Erklärung mit, „aber es ist eine notwendige Entscheidung im Angesicht der gefährlichen Pandemie.“ Gut zu wissen, dass wenigstens die Wissenschaftler nicht verrückt spielen, wenn es schon das Wetter tut. Thomas Winkler

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