piwik no script img

american pieFür eine Handvoll Neymars

Die Miami Marlins könnten tatsächlich einen Käufer gefunden haben. Über eine Milliarde will da jemand für den mediokren Baseball-Klub zahlen

Der Fußball berauscht sich ja gerade an den Millionen, die er so aus dem Fenster wirft. Aber auch in anderen Sportarten werden zur Zeit ganz hübsche Sümmchen bewegt. So sollen wohl demnächst die Miami Marlins über den Ladentisch gehen: für die stolze Summe von 1,2 Milliarden US-Dollar.

Wer jetzt sagt: Das sind doch noch nicht einmal fünf Neymar! Das ist doch kein schlechter Deal: Ein ganzer Baseball-Klub für fünf ziemlich gute brasilianische Nationalhelden! Dem sei gesagt: Paris St.-Germain, jener Verein, der den Nationalhelden ausgelöst hat bei seinem bisherigen Arbeitgeber, ist, glaubt man der Liste des Wirtschaftsmagazins Forbes, sehr viel weniger wert als diese Miami Marlins, nämlich gerade mal 841 Millio­nen Dollar.

Für die, die von den Miami Marlins noch nie etwas gehört haben, also für die allermeisten: Die Florida Marlins sind nicht eben das Real Madrid (13,7 Neymar) oder Bayern München (10,4 Neymar) des Baseball. Ja, sie sind nicht einmal Paris St.-Germain (3,2 Neymar) oder Borussia Dortmund (3,1 Neymar). Tatsächlich sind die Miami Marlins eher so etwas wie der FC Augsburg: froh, nicht abzusteigen, und noch froher, wenn das Stadion ausnahmsweise mal voll ist.

Auch dieser Vergleich hinkt wie alle anderen: Die Marlins können gar nicht absteigen, sie spielen in der Major League Baseball (MLB). Dort dürfen sie bleiben, egal wie schlecht sie spielen. Tatsächlich wirken die beiden World-Series-Titel aus den Jahren 1997 und 2003 heute wie Betriebsunfälle, denn in den letzten zwölf Jahren waren die Marlins so schlecht, dass sie sich kein einziges Mal für die Playoffs qualifiziert haben. Die Folge: Keiner will die Marlins sehen. In diesen zwölf Jahren hatten sie elf Mal die wenigstens Zuschauer aller 32 MLB-Klubs.

Wer die Marlins kauft, darf also nicht wirklich erwarten, sich künftig in großen Erfolgen sonnen zu dürfen. Und ein allzu gutes Geschäft scheint der Verein auch nicht zu sein, denn selbst in den erfolgreicheren Zeiten winkte das Publikum gelangweilt ab und ging lieber zum Football und Basketball. Trotzdem hat sich jemand gefunden, der diese 1,2 Milliarden Dollar auf den Tisch legen will. Es ist eine Investorengruppe um einen gewissen Bruce Sherman. Der nennt sich Finanzmanager, ist aber eher ein mit Risikokapital hantierender Finanzhai.

Keiner der 32 Klubs in der MLB hat weniger Zuschauer als die Marlins

Außer, dass er eine Yacht namens „Majestic“ (1,9 Neymar) besitzt, ist nicht viel bekannt über den öffentlichkeitsscheuen Sherman. Das Gesicht der Investorengruppe ist deshalb Derek Jeter: Der war, bis er 2014 in Ruhestand ging, zwei Jahrzehnte lang Aushängeschild der New York Yankees. Da die wiederum so etwas wie das Real Madrid und Bayern München des Baseball sind, war Jeter also – sorry, noch so ein hinkender Vergleich – eine Mischung aus Thomas Müller und Cristiano Ronaldo: saumäßig erfolgreich, aber trotzdem unglaublich sympathisch.

Zu den 1,2 Milliarden Kaufsumme steuert Jeter dem Vernehmen nach zwar bloß schlappe 25 Milliönchen bei. Der Exprofi spielt trotzdem eine zentrale Rolle in dem Geschäft, weil alle anderen MLB-Klubs dem Verkauf zustimmen müssen. Deren Besitzer trafen sich am Mittwoch in Chicago (nach Redaktionsschluss). Jeter als allgemein beliebter Sports- und Ehrenmann fällt die Rolle zu, das schnöde Geschäft mit etwas Glamour zu versehen. Klubbesitzer sind zwar in erster Linie Geschäftsleute, aber oft eben auch Baseball-Fans.

Nun fragt sich alle Welt, was Jeter, der im Falle eines Verkaufs CEO der Marlins, also so eine Art Sportdirektor, werden soll, dazu treibt, seinen guten Namen mit einem derart miesen Klub aufs Spiel zu setzen. Als Klub-Ikone hätte er nach seinem Karriereende problemlos im Management der notorisch erfolgreichen, im Geld schwimmenden Yankees anfangen können. Wollte er aber nicht – und da drängt sich der nächste hinkende Vergleich auf: Wenn Derek Jeter der Philipp Lahm des Baseball ist, wo heuert Lahm demnächst an? Beim SC Paderborn? Thomas Winkler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen