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american pieFür eine Handvoll Dollar

EISHOCKEYIn der NWHL gehen Frauen professionell mit dem Puck auf Torjagd. Ein Novum

Stolz sind sie bei der National Women’s Hockey League. Auf der Startseite der Website der Eishockey-Liga, die sich NWHL abkürzt, ist ein gut einminütiger Film mit dem Titel „Making History“ zu sehen. Ein Klavier tröpfelt, Frauen gleiten übers Eis, Pucks werden gepasst, ein Tor erzielt, Zuschauer jubeln. Es ist ein wenig pathetisch, sehr amerikanisch jedenfalls, aber ja auch nicht falsch: Tatsächlich wird gerade Geschichte gemacht. Seit Anfang Oktober spielen erstmals in der Historie des Sports Frauen für Geld Eishockey.

Die Gehälter, die die insgesamt 72 Spielerinnen bei den gerade mal vier Teams der NWHL bekommen, sind allerdings noch überschaubar. Reich wird niemand in der bis Ende Februar dauernden Saison, während der jedes Team 18 Mal antreten muss. 10.000 US-Dollar sind das Mindestgehalt für die Saison, Spitzenverdienerin ist Meghan Dug­gan. Die Kapitänin der US-Nationalmannschaft bekommt 22.500 Dollar.

Trotzdem scheint die Liga auf einem guten Weg. Zwar hat die NWHL – im Gegensatz zur Frauen-Basketball-Liga WNBA, die eine Tochter der NBA ist – keine Geschäftsbeziehungen zur großen NHL, aber unlängst konnte immerhin Dunkin’ Donuts als Hauptsponsor gewonnen werden. Und die Auftaktpartie zwischen Connecticut Whale und den New York Riveters war ausverkauft. Allerdings fasst die Halle der Whale in Stamford nur 1.000 Zuschauer. Die aber waren begeistert nach dem 4:1-Erfolg der Gastgeberinnen. Connecticut ist nun, da ungefähr die Hälfte der Saison gespielt ist, Tabellenführer vor Boston Pride, New York und den Buffalo Beauts. Für Beauts-Stürmerin Tatjana Rafter trotz der roten Laterne eine großartige Erfahrung: „Ich komme jeden Tag mit einem Lächeln in die Eishalle. Immer wenn ich meine Schlittschuhe zubinde, bin ich dabei, wenn Geschichte gemacht wird.“

In diese Geschichte könnten die Olympischen Spiele in Sotschi als Wendepunkt zur endgültigen Professionalisierung des Frauen-Eishockey eingehen. Nahezu fünf Millionen Menschen sahen in den USA am 20. Februar 2014 zu, als die Kanadierinnen die US-Amerikanerinnen in der Verlängerung des Endspiels mit 3:2 besiegten. Es war ein spannendes, hochklassiges Match zwischen den beiden besten Eishockey-Teams der Welt.

Wie groß der Abstand zum Rest des Planeten noch ist, zeigt auch die Kaderzusammensetzungen der vier NWHL-Teams: Zwei Russinnen, eine Österreicherin und eine Japanerin spielen in der neuen Liga, der Rest der insgesamt 72 Spielerinnen stammt aus den USA und Kanada.

Allerdings: Einige der prominentesten Namen fehlen in der NWHL. Die 27-jährige Haley Irvin, Amanda Kessel (23) und Josephine Pucci (24) standen in jenem Finale von Sotschi auf dem Eis, aber wurden nie Profis. Alle mussten wegen mehrerer Gehirnerschütterungen, die sie bei Spielen ihrer Highschool- und College-Teams erlitten hatten, den Sport aufgeben.

Obwohl Bodychecks im Frauen-Eishockey verboten sind, wird der Sport mittlerweile von denselben Problemen geplagt wie die männliche Variante. Die Akteurinnen werden immer stärker, größer und schneller – damit steigt auch das Verletzungsrisiko. Zudem ist die medizinische Versorgung in einer armen Liga wie der NWHL lange nicht so umfassend und professionell wie in der Multimillionen-Industrie NHL.

So nehmen vor allem Gehirnerschütterungen zu – oder werden jedenfalls immer öfter diagnostiziert, wenn auch oft zu spät. Der NHL droht gerade eine Sammelklage ehemaliger Profis, die an den Spätfolgen leiden.

Die NWHL hat vorerst allerdings drängendere Probleme. Noch sind längst nicht alle Spiele ausverkauft – trotz der nicht gerade großen Hallen. Ob es die Liga auch in der kommenden Saison geben wird, steht noch in den Sternen. Schließlich sind ähnliche Versuche im ungleich populäreren Frauen-Fußball schon öfter gescheitert. Geschichte wird gemacht, aber man wird sehen, wie diese Geschichte ausgeht.Thomas Winkler

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