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RASSISMUS Wie das Football-Team der Uni von Missouri einen Rektor aus dem Amt jagt

Columbia in Missouri ist ein College-Städtchen, wie es sie viele gibt in den USA. Etwas mehr als 100.000 Einwohner leben hier, gut die Hälfte studiert oder arbeitet an der Universität. Und an fünf oder sechs Samstagen im Herbst pilgern mehr als 75.000 Fans ins Stadion mit dem Spitznamen „The Zou“, um die Missouri Tigers zu sehen.

Am morgigen Samstag aber müssen sich die Fans ins zwei Autostunden entfernte Kansas City aufmachen, um ihre geliebte Footballmannschaft bewundern zu können. Dort treten die Tigers an gegen die Cougars der mormonischen Brigham Young University (BYU). Dass das Spiel überhaupt stattfindet, war vor wenigen Tagen noch unklar. In Columbia herrscht immer noch Verunsicherung nach den Ereignissen der vergangenen Woche. Täglich ziehen protestierende Studenten über den riesigen Campus, es kommt zu Auseinandersetzungen und Beschimpfungen, Polizei patrouilliert, die Stimmung ist angespannt.

Seit Monaten entzweit ein Streit die Uni. Eine Fraktion, die vornehmlich aus schwarzen Studierenden und Professoren besteht, beklagt Alltagsrassismus auf dem Campus und vor allem, dass die Verwaltung das Problem ignoriert. Die große, überwiegend weiße Mehrheit reagiert mal mit Desinteresse, mal mit Drohungen. Am Mittwoch wurde ein 19-jähriger Student verhaftet, weil er in sozialen Medien schwarze Studenten und Professoren mit dem Tode bedroht hatte.

Seit Monaten kam es wegen ähnlicher Vorfälle zu Protesten. Am 2. Oktober trat dann der schwarze Student und Aktivist Jonathan Butler in den Hungerstreik. Seine Forderung: Uni-Präsident Tim Wolfe solle zurücktreten, weil er die Klagen über rassistische Beschimpfungen oder auf Wänden gemalte Hakenkreuze nicht verfolgt habe. Eine Petition auf change.org sammelte mehr als 4.500 Unterschriften für einen Rücktritt von Wolfe. Doch Wolfe kam erst wirklich unter Druck, als sich am vergangenen Wochenende große Teile des Footballteams solidarisch mit Butler erklärten.

Ungefähr 30 ­Footballspieler traten in den Ausstand. Am Montag war es dann so weit: Nur zwei Tage nach der Boykottdrohung der Footballer erklärte Präsident Wolfe seinen Rücktritt, Butler durfte wieder essen, und die Footballmannschaft kann morgen vollzählig in Kansas City antreten.

Die Episode illustriert, wie abhängig Universitäten in den USA von den Einnahmen aus dem Collegesport sind. Genau eine Million Dollar hätte es die Uni gekostet, wenn das Spiel gegen BYU hätte abgesagt werden müssen. So zynisch es ist: Der Hungerstreik ­eines Studenten hat Wolfe nicht zu Fall gebracht, erst die Drohung, dass der Universität eine Menge Geld verloren geht. Auch Butler weiß das: „Wenn die Footballmannschaft sich nicht engagiert hätte, hätte sich die Uni nicht gerührt, bis ich gestorben wäre.“

Ähnliche Proteste gegen Rassismus, wenn auch bislang ohne Beteiligung von Sportlern, gibt es an Universitäten im ganzen Land, an der University of California genauso wie am Ithaca College oder an der Eliteuni Yale. Bis sich auch dort die Sportstipendiaten zu engagieren beginnen, könnte nur eine Frage der Zeit sein. Denn die Stars der Football- oder Basketballmannschaften leben auf dem Campus zwar in einer Blase aus Betreuung und Privilegien.

Sehr oft sind sie als Schwarze zwar die Mehrheit in ihren Teams, aber eine Minderheit in der gesamten Universität. Von den ak­tuell 84 Spielern der Missouri Tigers mit Footballstipendien sind 58 Afroamerikaner, aber an der Universität sind nur 8 Prozent aller Studenten schwarz. Thomas Winkler

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