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Archiv-Artikel

american pie Radelnde Skandalnudel

Schon vor Saisonbeginn in der National Football League ist Terrell Owens, Wide Receiver der Dallas Cowboys, auffällig geworden – wieder einmal

Die Zeit des Wartens ist vorbei. Es ist wieder Football-Zeit in den USA. Morgen eröffnen die Profis von den Pittsburgh Steelers und den Miami Dolphins die neue Saison der National Football League (NFL). Das Spiel zwischen dem amtierenden Super-Bowl-Champion und dem Geheimfavoriten aus Florida läutet die neue Saison der umsatzstärksten Sportliga der Welt ein.

Die meisten Schlagzeilen während der mehrwöchigen Vorbereitungszeit lieferte wieder einmal die größte Skandalnudel der NFL, Terrell Owens, Neuverpflichtung der Dallas Cowboys. Als die tägliche Team-Pressekonferenz wieder einmal vollkommen überfüllt war, fragte Cheftrainer Bill Parcells erstaunt in die Runde: „Haben wir heute wieder eine Raketenkrise auf Kuba?“ Nein, es war nur Owens, der den morgendlichen Trainingsbeginn verschlafen und sich eine Strafe von 9.500 Dollar eingehandelt hatte. Vor allem aber verbrachte der Hoffnungsträger den größten Teil des Trainingslagers gemütlich radelnd auf einem Standfahrrad. Ausgiebig pflegte er eine angebliche Achillessehnenreizung, die von zwei Kernspintomografien nicht bestätigt werden konnte. Am Ende hatte Owens den Großteil der Trainingseinheiten verpasst und drei von vier Vorbereitungsspielen obendrein. Keine idealen Voraussetzungen, in ein neues Offensiv-System hineinzufinden, was Owens jedoch nicht weiter stört: „Ich muss raus aufs Feld, ein bisschen ins Schwitzen kommen, und dann klappt das schon.“

Dallas gab Owens im März einen Drei-Jahres-Vertrag über 25 Millionen Dollar, obwohl er seit mehr als einem Jahr kaum gespielt hat. Owens hatte sich mit seinem letzten Arbeitgeber, den Philadelphia Eagles, überworfen und war schließlich entlassen worden. Nicht zum ersten Mal eckte der Modellathlet an: Auch bei seiner ersten NFL-Station, den San Francisco 49ers, war man froh, den als arrogant, egozentrisch und kritikunfähig geltenden Owens los zu sein. Neben Auseinandersetzungen mit Trainern und Mannschaftskameraden provoziert Owens auch gern das Publikum: So trampelte er vor sechs Jahren demonstrativ auf dem Logo seines heutigen Arbeitgebers herum.

Allerdings: Owens sorgt auch für gute Unterhaltung. Im vergangenen Jahr musste er zugeben, seine eigene, von einem Ghostwriter verfasste Autobiografie selbst nicht gelesen zu haben. Und mitunter ist er auch auf dem Spielfeld jede Million wert, die er verdient: Als Wide Receiver verkörpert er eine ideale Mischung aus Schnelligkeit, Kraft und Explosivität, die ihn zum derzeit wohl besten Passfänger der Liga macht. Auch sein bisweilen überbordendes Selbstbewusstsein färbt auf den Rest der Mannschaft ab. Philadelphia erreichte nach der Verpflichtung von Owens endlich die Super Bowl. Zum Endspiel kehrte der trotz eines sieben Wochen zuvor erlittenen Fußgelenkbruchs ins Team zurück. Das medizinische Wunder feierte Owens mit einer überragenden Leistung, aber die Eagles verloren trotzdem. Erst anschließend legte er sich so lange mit Mitspielern und Klubmanagement an, bis er gefeuert wurde. Die Dallas Cowboys hoffen nun, dass er nicht beschlossen hat, sein Verhaltensmuster umzukehren und sich bereits schlecht zu benehmen, bevor er überhaupt gut gespielt hat. THOMAS WINKLER