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Archiv-Artikel

american pie Spiel mit dem Fetisch

Weil der neu entwickelte Synthetikball verschmäht wurde, dürfen die Basketballprofis der NBA wieder mit dem alten Lederball werfen

In diesen Tagen schwappte eine Woge der Begeisterung durch den US-Basketball. „Hallelujah, es gibt einen Gott“, zeigte sich Flügelspieler Kevin Garnett von den Minnesota Timberwolves regelrecht entzückt. „Das war die einzig richtige Entscheidung, ich bin sehr glücklich“, sagte auch Dirk Nowitzki von den Dallas Mavericks. Was hatte diesen Enthusiasmus ausgelöst? Es war ein Ball, eine orangefarbene Kugel aus Synthetik. Oder viel mehr: Es war seine Abschaffung. Und die Wiedereinführung der alten Kugel aus Leder.

Verantwortlich für beides: David Stern, Commissioner der NBA. Es ist eine Niederlage für ihn. Vergangenen Sommer verhielt Stern sich noch ziemlich geheimniskrämerisch, so ähnlich wie David Copperfield, wenn es um seine Zaubertricks geht. In dieser Zeit war in Sterns Nähe andauernd ein kleiner schwarzer Kasten zu sehen, von dem er vielsagend behauptete: „Was hier drin ist, wird die NBA für immer verändern.“ Am 28. Juni 2006 wurde Sterns Geheimnis gelüftet: Ein neuer Spielball wurde entwickelt, zum ersten Mal seit 1983 gab es ein generalüberholtes Spielgerät für die Korbjäger. Nicht nur das Design des Balles wurde leicht verändert, Hersteller und NBA-Partner Spalding wollten zudem den Grip verbessern. Vor allem aber: Er war nicht mehr aus Leder, sondern aus einem Mikrofaser-Kunststoff-Gemisch. So gab es nach den ersten Tests Positives zu berichten: „Ich werde damit noch mehr Tricks machen können, er fühlt sich wirklich gut an“, gab zum Beispiel NBA-Star Dwyane Wade vom Meister Miami Heat zu Protokoll.

Und alle waren zufrieden. Zunächst. Schon kurz darauf waren erste leise Töne der Kritik zu hören. Wades Teamkollege und NBA-Legende Shaquille O’Neal sagte es deutlicher: „Ich finde den neuen Ball furchtbar. Er fühlt sich an wie einer dieser billigen Bälle aus dem Spielzeugladen. Wer dafür verantwortlich ist, dem sollte man sofort sein College-Diplom entziehen!“ Selbst das so hoch gepriesene „Feuchtigkeits-Management“ der neuen Pille fiel O’Neals unbarmherzigen Urteil zum Opfer: „Wenn der Ball jetzt feucht wird, kann man ihn überhaupt nicht mehr kontrollieren.“ Ein Großteil der Spieler schloss sich dem Votum des Center-Riesen an – wie etwa Martell Webster, Youngster bei den Portland Trail Blazers: „Ich habe mich auf die NBA gefreut, weil hier noch mit einem Lederball gespielt wurde. Der wurde nirgendwo anders benutzt, und das war für mich immer etwas ganz Besonderes.“

Auch Yao Ming, O’Neals Konkurrent unter den Körben bei den Houston Rockets, stimmte ein in den Chor der Kritiker: „Kennen Sie das Gefühl, wenn man morgens aufwacht und so ein taubes Gefühl in den Fingern hat? Der Ball fühlt sich genau so an. Je öfter ich ihn benutze, umso mehr hasse ich ihn.“ Teamkollege Tracy McGrady flehte: „Bringt den alten Ball zurück. Alles andere ist mir egal, ich will nur den alten Ball wiederhaben.“

David Stern schaltete trotzdem auf stur, wollte partout am Synthetik-Ball festhalten. „Wir haben den Ball immer und immer wieder getestet, und ich denke, man achtet zu sehr auf die wenigen negativen Punkte und vergisst die Vorteile, die dieser neue Ball mit sich bringt“, argumentierte er. Welche das sein sollten, verschwieg Stern allerdings. Die Wende kam dann am 11. Dezember. Folgendes wurde bekannt gegeben: „Wir haben uns entschieden, mit Beginn des neuen Jahres den alten Ball wieder zu verwenden. Das Feedback der Spieler war durchgehend negativ, und danach müssen wir uns richten“, so Stern. Die ganze NBA nahm die Entscheidung freudig zur Kenntnis, die Washington Wizards begrüßten das Leder auf ihrer Internetseite sogar als „verlorenen Sohn“, der wieder da sei. Der Ball hat die NBA für ganze zwei Monate verändert. Länger nicht.

Den ersten Wurf mit dem neuen Alten nahm übrigens Adam Morrison von den Charlotte Bobcats. „Ich mag diesen alten Ball viel lieber. Das Abprallverhalten ist viel besser“, schwärmte Morrison. DAVID EMANUEL DIGILI